I N T E R V I E W „Wir müssen Flagge zeigen“

■ Martin Gregg, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft im Beamtenbund zur Grauzone der Vermummung: „Die Polizei wird das schon erkennen“

taz: Herr Gregg, stellen wir uns einmal vor, das Vermummungsverbot ist ins Strafgesetzbuch aufgenommen, und Sie entdecken auf der nächsten Demonstration jemanden mit einer tief gezogenen Mütze und einem Schal, dessen Gesicht also nicht erkenntlich ist. Gregg: Es ist für die Polizei schon erkennbar, ob sich jemand unkenntlich machen will oder lediglich eine Kleidung trägt, die seiner Mentalität entspricht. Aber gewisse Mindeststandards wären doch erforderlich, daß etwa ein Mindestanteil von Gesichtsfläche noch erkenntlich sein muß. Die Vermummung ist im Zusammenhang mit Demonstrationen für die Polizei und unsere Bürger kritisch, insbesondere die Solidarisierung und das Sammeln im schwarzen Block, die Vorbereitung für Gewalt. Wenn einzelne Personen, unkenntlich durch eine Kleidung wie sie sie beschreiben, in einem Zug mitmarschieren, so hat die Polizei noch keine Bedenken. Das könnten aber doch dann gerade die Gefährlichsten sein. Nein, das sehe ich nicht so. Die Gefährlichkeit steigt mit dem Zusammenrotten Vermummter in einer Demonstration. Dieses Zusammengehen im schwarzen Block ist die Gefahr. Ihre Argumentation läuft ja auf eine ganz andere Bedeutung der Kleiderordnung hinaus: Ihnen geht es darum, die Uniform des gewalttätigen schwarzen Blocks, wie sie ihn sehen, abzuschaffen, und das Zusammengehörigkeitsgefühl, das sich Ihrer Ansicht daraus herstellt - weniger um die Unkenntlichmachung der einzelnen Demonstranten. Das ist nicht der Punkt. Es soll friedlich und ohne Waffen demonstriert werden können. Die Vermummung auf einer Demonstration ist einfach kein friedlicher Akt, das ist nicht normal. Wir müssen zur Normalität zurückkommen, um wieder gewaltfreie Demonstrationen zu ermöglichen. Sie gehen aber doch auch davon aus, daß der schwarze Block sich vermummt, um sich unkenntlich zu machen, sich damit der Strafverfolgung zu entziehen. Nun ist doch aber Phantasie etwas, das gerade Demonstranten nachgesagt wird. Da kann es doch sein, daß sich all dieselben Menschen künftig „zivil“ vermummen. Wer demonstrieren will, soll das mit offenem Visier tun, der soll sich so benehmen, wie das der Bürger erwartet. Es ist nicht normal, daß jemand, der etwas darstellen will, dies maskiert tut. Maske runter. Unkenntlichmachung gibt Anlaß zum Verdacht, daß jemand etwas im Schilde führt. Wir dürfen doch nicht um die Dinge herumreden, wir müssen Flagge zeigen. Genau das will ich jetzt auch mit ihnen, nicht drumherumreden. Ich will wissen, wie konkret so ein Gesetz gefaßt sein kann. Ich kann mich Ihnen gegenüber ohne weiteres so unkenntlich machen, daß das nicht weiter auffällt und als Militanz angesehen werden muß. Die Frage ist doch, ob demnächst gesetzlich geregelt ist, daß für Mütze und Schal ein ärztliches Attest für eine Erkältung nötig ist. Ich bin schon in Kalkar mitmarschiert bei eisigem Wind über diese Ebene vor diesem späteren Schnellen Brüter. Da habe ich auch meinen Schal vor das Gesicht genommen. Aber das war eine ganz besondere Situation. Im Sommer wäre so etwas verboten, da wäre es verdächtig? Ja, ich kann ja nicht bei dreißig Grad Wärme einen Schal vor das Gesicht binden, das ist doch nicht normal. Mit einer Erkältung vielleicht schon. Also wissen Sie, man kann das natürlich auch zerreden. Mir kommt es nur auf die Frage an, wie konkret solche Gesetze gefaßt sein sollen. Soll da beispielsweise verboten werden, sich einen falschen Bart umzubinden? Vermummung muß ja nicht unbedingt so weiterlaufen, daß sich der gesamte Block homogen kleidet. Also wir sehen auch gewisse Schwierigkeiten. Aber sie dürfen das bitte nicht übertheoretisieren. Es wird sicher für die Polizei erkennbar sein, ob sich hier jemand aus Jux unkenntlich macht, oder ob er dies tut, um bei Gewalttätigkeiten nicht erkannt zu werden. Wenn hier Schwierigkeiten auftreten, muß eben vor Gericht geklärt werden, ob der Mann eine Erkältung hatte und sich deshalb vermummt hat. Aber zunächst einmal, Herr Kunkel, muß es doch darum gehen, daß in unserem Land wieder Ordnung einkehrt. Und daß das Recht, auf der Straße für oder gegen etwas zu demonstrieren, nicht kaputtgemacht wird durch Leute, die sich mit dem Staat und damit mit der Polizei anlegen wollen. Wir gehen doch Wege, die ins Nichts führen, wenn wir dieses alles zulassen in der bisherigen Form. All das, was Sie vorhaben, greift doch recht stark in die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen. Wenn jemand einen Stein wirft, weil er meint, das sei politisch nötig, so ist das eine Sache. Wenn es jedoch demnächst unter Strafe steht, sich eine ausladende Punk–Frisur oder einen falschen Bart anzulegen, so werden doch erhebliche Persönlichkeitsrechte verletzt, beispielswise das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Herr Kunkel, ich bleibe dabei. Das Wort „demonstrieren“ leitet sich ab von dem lateinischen „demonstrare“. Das heißt: Sich darzustellen - als ein Mensch, der für oder gegen etwas auf die Straße geht, demonstriert. Wer dies dazu benützt, im Anschluß daran mit Gewalt gegen den Staat und die Polizei vorzugehen, der begeht kriminelles Unrecht. Das ist nicht Jux und Tollerei, das ist Vorbereitungshandlung für unkenntliche Gewalt. Das Gespräch führte Ulli Kunkel