Das Vermummungsverbot ist ein alter Hut

Vermummung und Vermummungsverbote haben als identische Begriffe und mit identischen Inhalten eine lange Tradition in Karneval und Fastnacht. „Mascaraden“ und „Mummerei“ waren nicht nur kultisches Brauchtum, um den Winter zu vertreiben, sondern auch Gelegenheit, gegen die Obrigkeit aufzubegehren, die mit Verboten um sich schlug. Die heute hübsch anzusehenden Fastnachtsfiguren haben eine böse Vergangenheit. Die Hexen zum Beispiel kehrten mit ihren Besen den Dreck zusammen und schleuderten ihn den Herren ins Gesicht. Narrenfiguren, die heute Bonbons und Orangen verteilen, ließen früher Dreck und Steine fliegen. Immer wieder wurden Karneval und Fastnacht mit „Anarchie“ und „Aufruhr“ verglichen. In allen Narrenorten gehörte zur Fastnacht auch eine Form der Volksjustiz, die sich manchmal gewaltsam entlud. Die Mainzer Unterhaltungsblätter schrieben im Jahr 1840 über das närrische Fest: „Alle Lebens–, Geschlechts– und Standesschranken fielen, die Fluth der Narrheit riß sie nieder, und eine neue Weltordnung hub an.“ Quer durch die Jahrhunderte ziehen sich die vergeblichen Versuche der Könige und Landesherren, durch Verbote den Mummenschanz zu stoppen. In Altwürttemberg war seit 1567 eine Landesverordnung gültig, die jegliche Vermummung verbot, weil sie „vor Gott ein großer Frewel ist, auch vil Schand und Laster darunder geschicht“. In den katholischen Landesteilen waren Verkleidungen verboten, die „gegen die gute Policey laufen“. Nach den unruhigen Jahren 1848 und 1849 war die Fastnacht hier ganz verboten. Die Geschichte der hinreißend schönen Narren–Hochburg Rottweil ist gespickt mit Vermummungsverboten. 1545 vermerkt das neue Recht der Reichsstadt: „Item sich soll auch niemandt verwelchen (verkleiden) in Larven Weyse...“ 1655 werden „folgende jüngst in der Faßnacht geweste narren bestraft...“ 1701 ist „das narren in Türkols oder sonst abscheulich Klaidern völlig verbotten“. 1715 „seyen diejenigen aber, so Larven und Teufelskleider tragen, um 10 Pfund Heller abgestrafft“. 1738 wird „den Gesellen der Tanz samt Maskerade verbotten“... „und wenn sie nicht wollen parieren, sollen die soldath Feuer auf sie geben“. 1754 wird ein regelrechter Aufstand der Narren notiert, „trotz Verbot des Magistrats liefen 119 Narren“. 1803 werden die Vermumbten aufgefordert, „sich des groben Schlagens oder Beleidigens sorgfältig zu enthalten“. Noch im Jahre 1920 berichtet der Stuttgarter Beobachter entrüstet von „Anarchie in Rottweil“ und verlangt die strafrechtliche Verfolgung. Doch alles war vergeblich: „Den Fasching möchte meines Verdünkens kein König und Kaiser abzuschaffen, nicht einmal die Apostel Petrus und Paulus“, schrieb im 16. Jahrhundert Petrus Kanisius. „Maske Vermummung und Verkleidung zeigten sich resistent gegenüber alles Verboten“, schreibt auch Rolf Schwarz über den Karneval in Venedig. Schwarz wagt eine politische Bewertung der Vermummungsverbote als Versuch des zunehmend autoritären venezianischen Staates, „Zonen der Unkontrollierbarkeit auszuschalten“ und Freiheitsreservate durch einen „Zuwachs an Staat“ auszuhebeln. Eine besonders elegante Art, das Vermummungsverbot auszutricksen, fanden die Narren in Radolfzell. Sie integrierten in ihre Maske ein Fenster und liefen teil– vermumbt durch die Straßen, mit „offenem Visier“ (Kohl). Manfred Kriener