Genlabor fürs Militär

■ Bundeswehr läßt seit neun Jahren Hochsicherheitslabor für biologische Kampfstoff–Forschung in Munster bauen / Seit 1986 Genlabor in München

Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Seit neun Jahren ist ein Hochsicherheitslabor der Bundeswehr für biologische Kampfstoff–Forschung im Bau. Der Komplex in der wehrwissenschaftlichen Dienststelle der Bundeswehr für ABC–Schutz in Munster/Niedersachsen ist bereits im Rohbau fertig und soll nach Angaben des Verteidigungsministeriums 1989 in Betrieb genommen werden. Wie die Grünen gestern in Bonn publik machten, sind mehrere der Labors für gentechnologische Experimente geeignet: Sie sind mit der Sicherheitsstufe L3 ausgerüstet; das ist nach den bundesdeutschen Richtlinien für Gen– Forschung die höchste Sicherheitsstufe. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums ge genüber dem Haushaltsausschuß kann dort mit riskanten Krankheitserregern, wie zum Beispiel Milzbrandbakterien, operiert werden. Milzbrand ist eine tödliche Krankheit und als biologische Waffe einsetzbar. Obwohl das Verteidigungsministerium vor der Enquetekommission Gentechnologie des Bundestags beteuerte, „die Bundeswehr selbst hat im eigenen Bereich kein gentechnologisches Labor“, ist in München nach Recherchen der Grünen bereits seit 1986 ein derartiges von der Bundeswehr finanziertes Labor in Betrieb. Die Einrichtung in der „Akademie des Sanitäts– und Gesundheitswesens der Bundeswehr“ ist für die niedrigere Sicherheitsstufe L2 ausgelegt und dient nach Einschätzung des Biowaffen–Experten der Grünen, Manuel Kiper, als Rekrutierungsfeld des Militärs für Gentechniker. Aus den Projekten in München und Munster folgerte der Abgerodnete Helmut Lippelt gestern: „Das Parlament ist eklatant belogen worden.“ Mißtrauisch gegenüber der angeblich rein defensiven „Schutzforschung“ im B–Waffen–Bereich machte die Grünen auch, daß eine Liste der gegenwärtigen Forschungsprojekte im Bundestag zur Verschlußsache erklärt wurde. Nach Mitteilung der Bundesregierung werden derzeit drei gentechnische Projekte mit 1,5 Millionen Mark aus dem Verteidigungsetat finanziert. Offizielle Begründung dafür: Eine zeitgemäße medizinische VersorFortsetzung auf Seite 2 gung der Soldaten müsse gewährleistet werden. Dazu gehöre die Anwendung gentechnischer Methoden zur Entwicklung von Arzneimitteln. Die Bundesregierung kann sich auf die B–Waffen–Konvention von 1972 berufen, die „Schutzforschung“ nicht untersagt. Wissenschaftler gehen davon aus, daß eine Grenze zwischen defensiver und offensiver Forschung nicht gezogen werden kann. Um Gegenmittel gegen Bio– Waffen zu entwickeln, muß man die Erreger selber haben - und damit lassen sich innerhalb kurzer Zeit einsatzfähige Kampfstoffe herstellen. Entsprechend erklärte das Landgericht Hannover in diesem Sommer die Aussage für zulässig, daß an der dortigen Tierärztlichen Hochschule „Militärforschung an potentiellen Biowaffen“ betrieben wird. Das Verteidigungsministerium finanziert ein gentechnisches Arboviren–Projekt. Obwohl Forschungsergebnisse angeblich öffentlich sind, muß die Genehmigung zur Veröffentlichung beim Bundeswehrbeschaffungsamt eingeholt werden. Die Grünen fordern nun die Offenlegung der Bundeswehr–Projekte.