Proteste „bewegen was“ bei Krupp

■ Krupp–Betriebsrat: Vorsichtiger Optimismus / Stahlarbeiter demonstrierten bei CDU–Parteitag / Blüm ohne klare Aussage zu Rheinhausen/ Kohl will „Montankonferenz“ / Rheinhausen holt nach Aktionstag Atem

Aus Duisburg Walter Jakobs

Bei den Verhandlungen zwischen dem Vorstand der Krupp– Stahl–AG und dem Betriebsrat hat sich nach den Worten des Betriebsratsvorsitzenden Manfred Bruckschen „etwas bewegt“. Die Verhandlungen wurden am Freitag nach vier Stunden abgebrochen und werden am heutigen Samstag fortgesetzt. Wegen der vereinbarten Vertraulichkeit teilte der Betriebsrat weitere Details nicht mit. „Wir haben was bewegt“, so bilanzierte Bruckschen die Stahlarbeiterproteste vom Vortage. Im Rheinhausener Werk lief die Produktion am Freitag wieder an. Aber auch Proteste gingen weiter: Etwa hundert Stahlarbeiter zogen zusammen mit Manfred Bruckschen in die Duisburger Mercator– Halle, wo der Parteitag der NRW– CDU begann. Auf Einladung der CDU hielt Bruckschen vor den Delegierten eine kurze Rede, in der er die Bundesregierung und die CDU aufforderte, alle Stahlstandorte zu sichern. Seit 1982 spreche man von Ersatzarbeitsplätzen und bis heute sei noch keiner für die Stahlarbeiter geschaffen worden. Die Blüm–Ankündigung von den 500 Ersatzarbeitsplätzen bei Bayer–Leverkusen ist nach Bruckschen eine Offerte, die dazu „führen könne, daß wir uns selbst stillegen“. Viele Stahlkocher sehen darin „ein reines Störfeuer gegen den Betriebsrat und die Belegschaft“. Am Präsidiumstisch der CDU entstand mit dem Einzug der Stahlarbeiter einiges Hin und Her, auch um ein Transparent, auf dem es hieß: „Blüm heißt er, die Arbeiter bescheißt er“. Schließlich kamen die Arbeiter der Aufforderung des Präsidiums nach und rollten das Transparent ein. NRW–Landesvorsitzender Blüm zitierte während seiner Rede aus einem Brief von Kanzler Kohl, in dem dieser für Februar eine „Montankonferenz“ ankündigte. Zu der Montankonferenz will Kohl nach dem EG–Gipfel Landregierung, Unternehmer und die verantwortlichen Kommunalpolitiker einladen. Eine solche Konferenz war von der SPD seit Monaten gefordert worden. Zu dem eigentlichen Problem, der Schließung von Krupp–Rheinhausen, schwieg sich der Kanzler allerdings aus. Blüm forderte die Stahlunternehmen auf, die „Frankfurter Vereinbarung“ mit der IG–Metall einzuhalten. Darin hatten sich die Stahlbosse verpflichtet, auf Massenentlassungen zu verzichten und gleichzeitig erklärt, in den betroffenen Regionen bevorzugt zu investieren und Ersatzarbeitsplätze zu schaffen. Zu Rheinhausen sagte der CDU–Chef: „Was erhaltenswert ist, muß erhalten bleiben. Deshalb müssen die Rechnungen über Rheinhausen nachgeprüft werden“. Jede weitere Festlegung vermied Blüm. In Rheinhausen blieb es am Freitag ruhig. Die Vorstadt erholte sich von den Protesten des Vortages. Müllmänner beseitigen die Spuren der Blockaden auf Brücken und Straßen. Bei der Stallwache im Betriebsratsbüro fanden sich am Mittag immer mehr Stahlkocher ein, um nach dem Stand der Verhandlungen, die zur gleichen Zeit in Bochum stattfanden, zu fragen. Der Stolz über die einmaligen Proteste vom Vortage stand ihnen im Gesicht geschrieben. Sollte der Krupp– Vorstand bei seiner Linie bleiben, will man in der nächsten Woche noch mehr machen. Ein Walzwerker zuversichtlich: „Wir können das schaffen.“ Bundestagsdebatte: Lambsorff höhnt Bonn (ap/dpa) - Bundeswirtschaftsminister Martin Bangemann macht Stahlarbeitern wenig Hoffnung. In einer gut zweistündigen Bundestagsdebatte vor dem Hintergrund der Massendemonstrationen betroffener Stahlarbeiter im Ruhrgebiet sagte er, um weitere Betriebsstillegungen werde man weder in der Bundesrepublik noch in anderen EG–Ländern herumkommen. Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP–Fraktion, Otto Graf Lambsdorff, höhnte über die Proteste: Wenn Arbeitnehmer Aufsichtsratsbüros stürmten und dort die Aufsichtsrats–Zigarren pafften, sei dies kein Anreiz für künftige Investoren. Die Lage verlange eine an den Tatsachen orientierte Analyse, sagte Lamdsdorff. Der Wirtschaftsexperte der Grünen, Eckhard Stratmann, bezeichnete die Überkapazitäten als einen „politischen Kampfbegriff“ der Unternehmer, um die Belegschaften weichzuklopfen. Seine Fraktion werde nur dann ihre Zustimmung zu dem Kapazitätsabbau geben, wenn die Unternehmen bereit seien, ihre Daten auf den Tisch zu legen, und die Arbeitnehmer über Investitionsentscheidungen mitsprechen dürften. Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD–Fraktion, Wolfgang Roth, sagte, nach der angekündigten Stillegung von Rheinhausen würden in der Stahlindustrie 40.000 Arbeitsplätze aufgehoben. Rheinhausen sei ein „Unternehmerskandal ohne jedes Beispiel“. Bangemann sei mit seinem Konzept in Brüssel völlig gescheitert.