Hoffen und Warten auf Verhandlungsergebnisse

■ Aktionspause in Rheinhausen am Samstag / Unterhaltungsprogramm bei der Mahnwache am Tor 1 / Auch „St. Jupp ist solidarisch mit Krupp“ / „Wenn die nicht mit nem Angebot rüberkommen, gehts voll in die 3. Aktionswoche!“

Von Corinna Kawaters

Rheinhausen (taz) - Samstag mittag in Rheinhausen vor Tor 1 des Krupp–Stahlwerks. Die Produktion läuft wieder. Müde und grau kommen die Männer von der Frühschicht aus dem Werk. Die Singegruppe der Marxistisch–Leninistischen Partei Deutschlands empfängt sie mit Liedern von „der Offensive der Solidarität“. Danach klettert das Jugendfanfarenkorps aus dem Nachbarort Hohenbudberg auf die Musikertribüne und schmettert Schlager. Zelte einer türkischen Organisation und der SDAJ umrahmen den Platz, auf dem in Metallkörben kokelnder Koks wenig Wärme für die Mahnwache spendet. Journalisten mit Rekordern und Stenoblocks, Fotoapparaten und Videokameras belauern die Kruppianer, die mit der Mahnwache mitfrieren. Einer aus der Mahnwache erzählt bereitwillig, daß er seit 29 Jahren in Rheinhausen arbeitet und „alle Höhen und Tiefen des Werks mitgemacht“ hat. Daß nun das Ende kommen soll, das ihn, mit seinen 54 Jahren, also ein Lebensjahr vor der Vorruhestandsregelung des Sozialplans, ganz besonders hart erwischt, kann er sich „kaum vorstellen“. Wie er arbeiten seine beiden Söhne auch im Krupp–Konzern, allerdings in anderen Betrieben. Einer sogar auf Montage in Indien. Dorthin will er auch fahren, wenn er arbeitslos wird, überhaupt will er „viel reisen“. Sein etwas jüngerer Kollege, der seinen Urlaub mit Mahnwache und Aktionen verbringt, will noch keine solchen Pläne machen. Er hofft wie die meisten Anwesenden, daß bei den Beratungen zwischen Krupp–Vorstand und Betriebsrat, die seit dem Vortag andauern, „etwas herauskommt“. Auf die Aktivitäten des Stahlaktionstags am Donnerstag sind alle noch immer stolz. „Das Revier wird ständig totgesagt, am Donnerstag hat es seine einzigartige Vitalität bewiesen“, meint beispielsweise der Pfarrer Dieter Kelp, der Hauptorganisator des Bürgerkomitees. Es war „die machtvollste und trotzdem friedfertigste Demonstration im Revier in der gesamten Nachkriegszeit“, stellt er fest. Überall im Stadtteil, an Geschäften, in Autofenstern und quer über die Straße gehängt, gibt es Plakate und Transparente: „Wir feiern Weihnachten, Cromme feiert happy Ruin“ - oder „Wir lassen unsere Hütte nicht vercrommen“ - „Laßt uns kämpfen, sonst stirbt Rheinhausen“. Auf einem Transparent vor der Sankt Josefskirche heißt es in der knappen Sprache des Reviers schlicht „St. Jupp solidarisch mit Krupp“. In vielen Läden stehen an den Kassen Sammelbüchsen mit Spenden für die Stahlarbeiter. 170.000 DM sind bereits eingegangen und sollen „sozialen Zwecken“ zugeführt werden. Auch der MSV–Duisburg, ehemaliger Fußballbundesligaverein, dessen unaufhaltsamer Abstieg in der Oberliga endete, sammelte und spendete 455 DM - mit einem Appell an die reicheren Sportvereine, es mindestens gleichzutun. In der Lokalpresse ist vom „Silberstreif am Horizont“ die Rede und daß „der Kampf sich schon gelohnt“ habe, denn die Firmenleitung signalisiere, das Kahlschlagkonzept vom Tisch zu nehmen. Die Frankfurter Rundschau dagegen bringt in ihrer Samstagsausgabe Zahlen, die das genaue Gegenteil andeuten: 10.500 Arbeitsplätze in der Stahlindustrie sollen allein in Duisburg eingespart werden. Die meisten Leute hier lesen die FR allerdings nicht, können und wollen sich diese Zahlen auch nicht vorstellen. Klaus Löllgen, Betriebsratsmitglied und Pressesprecher der Spätschicht im Werk, sieht ebenfalls noch nicht so schwarz: „Wir müssen die Verhandlungen abwarten. Wenn die da nicht mit nem Angebot rüberkommen, gehts ab Montag voll in die Aktionswoche drei.“