Umfallende Zinnsoldaten auf dem FDP–Parteitag

■ Mehr Ja–Sager als Nein–Sager gab es auf dem Bundesparteitag der FDP zur Frage des Vermummungsverbotes Partei–Boß Bangemann hatte die Stimmung gegen sich, die Abstimmung für sich / Nach Genschers Rede kam niemand mehr zu Wort

Aus Mannheim Felix Kurz

Wortgewaltig stemmten sich auf dem außerordentlichen Bundesparteitag der FDP in Mannheim die verschiedenen Antragsteller in den Ring. Bundesaußenminister Hans–Dietrich Genscher erfand dazu sogar den Begriff der „Gewalt gegen die Menschenwürde“, die schon da beginne, wenn man einen Polizisten als „Bulle“, einen Bundeswehrsoldaten als „Mörder“ oder seine Parteikollegen Baum und Hirsch als „Schreibtischtäter“ bezeichne. Am Ende stimmten 210 Delegierte bei 185 Nein–Sagern, drei Enthaltungen und zwei ungültigen Stimmzetteln der Präsidiumsvorlage und damit einem strafbewährten Vermummungsverbot zu. Noch am Vorabend des Parteitages hatte sich der Parteivorstand im „Steigenberger“–Hotel mit der klaren Mehrheit von 24:8 Stimmen für Verschärfungen im Demonstrationsrecht ausgesprochen. Die acht Dissidenten verbuchten deshalb das recht knappe Abstimmungsergebnis als „Entscheidung, mit der man leben kann“. „Kein Wort“ habe bisher jemand zu der Tatsache gesagt, daß „die, die da draußen gerade friedlich demonstrieren in Zukunft auch zu Straftätern gemacht werden“, meinte der Berliner Rechtsanwalt Wolfgang Lüder, ein Gegner des Bundesvorstandsantrages. Vor dem Mannheimer Rosengarten hatten rund 30 „Weihnachtsmänner“, mehrere „Schwerverletzte“ und anders „getarnte“ Demonstranten die Delegierten empfangen. Für sie bedeute das Verbot der Vermummung „nichts anderes als eine tendenzielle Abschaffung des Rechts auf Demonstration“, hieß es auf einem Flugblatt. Drinnen ging zunächst Martin Bangemann in die Vollen und machte deutlich, woran er und seine Gesinnungsfreunde sich in Zukunft orientieren werden. „Nur ein Recht, das im Bewußtsein der Bevölkerung verankert ist, wird durchgesetzt“, tönte er, und gerade die Wähler der FDP seien Umfrageergebnissen zu folge für eine Änderung des Unrechtstatbestandes bei der Vermummung. Im Übrigen sei diese Frage doch fürwahr „keine liberale Grundsatzfrage“, und deshalb müsse die Partei hier dem Bundesvorstand folgen. Immer wieder betonte der FDP–Boß, daß die Liberalen nach einem Vermummungsverbot „in dieser Legislaturperiode“ keiner weiteren Forderung der Koalitionspartner im innenpolitischen Bereich nachgeben werde. Schließlich könne man nach dem Auftreten der „Vermummten“ bei Demonstrationen die „Uhr danach stellen“, wann es zu Gewaltätigkeiten kommen werde, gab Bangemann zum Besten. Bundesbildungsminister Jürgen Möllemann schlug in die gleiche Kerbe und attackierte heftig den rheinland–pfälzischen FDP– Landesvorsitzenden Rainer Brüderle, der sich gegen jegliche Verschärfungen im Demonstrationsstrafrecht ausgesprochen hatte. Brüderle befürchtete, daß mit dem Vermummungsverbot ein „Damm für weitere Beschränkungen gebrochen“ sei. Das Vermummungsverbot sei nur „eine Alibiveranstaltung der Konservativen, die damit von der Unfähigkeit ihres Innenminis „erschüttert“ darüber war, daß „wir jetzt der vox populi folgen“, wesentlich mehr Applaus als Bangemann. Inge Segall räumte auch mit dem Argument auf, die Polizisten würden bei Beibehaltung der jetzigen Regelung, für eine Ordnungswidrigkeit (Vermummung) Leib und Leben riskieren. Die Polizei habe „das Grundrecht der Demonstrationsfreiheit zu schützen“ und das sei wohl deren „wichtigste Aufgabe“. Doch bei der Abstimmung siegte der Bundesvorsitzende. Und mit ihm auch der baden– württembergische FDP–Landesvorstand. In Baden–Württemberg stehen am 20. März 88 Landtagswahlen an, und die Stimme von Georg Gallus, Hardliner und parlamentarischer Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, überschlug sich fast, als er seinen Parteifreunden zurief, „das ist eine taktische Frage, wie wir bei den nächsten Landtagswahlen abschneiden“. Gallus gehöre wie die Mehrheit der Liberalen zu denen, die „auch noch den Kakao von Herrn Zimmermann trinken, durch den er uns zieht“, so beschrieb ein Delegierter die Befürworter des strafbewährten Vermummungsverbots. Wie hatte „Fritze“ Zimmermann, CSU–Bundesinnenminister doch gesagt: „Die FDP wird in der Frage der Vermummung umfallen wie ein Zinnsoldat.“ Und nachdem Zinnsoldat Hans–Dietrich Genscher, Bundesaußenminister, mit seinem rhetorisch hervorragenden Beitrag den Parteitag noch einmal auf die Bundesvorstandslinie eingeschworen hatte, beendete man prompt die Diskussion. Die rund 40 weiteren Wortmeldungen kassierte man per Geschäftsordnungsantrag auf Ende der Debatte.