Zenit überschritten

■ Ceausescu auf der rumänischen Parteikonferenz

Sich selbst größenwahnsinnig für unfehlbar zu halten, zeigt häufig den Anfang vom Ende eines Diktators an. Wer sich den Menschen seines Landes so weit entrückt, daß er ihnen, „deren Kelch der Entbehrungen voll ist“ (Parteiveteran Silviu Brucan) noch weitere Belastungen auferlegen und keinen Deut von seinem katastrophalen Kurs abrücken will, dürfte selbst in den Augen seiner Stiefellecker zu keiner realistischen Analyse mehr in der Lage sein. Der Trick, Untergebene für die eigenen Mißerfolge büßen zu lassen, zieht nicht mehr. Ceausescu hat den Zenit seiner Macht endlich überschritten. Die Grundsäulen seiner Politik beginnen zu wanken. Die westlichen Banken finden es zwar lobenswert, daß der Diktator auf die Schuldentilgung drängt. Dennoch sind die westlichen Regierungen auf Distanz gegangen und haben seinen außenpolitischen Spielraum eingeengt. Ceausescus Hoffnung, nun im Osten wieder besser anzukommen, stößt dort nicht unbedingt auf Gegenliebe. Schon bei seinem Besuch im April dieses Jahres hat Gorbatschow den Rumänen spüren lassen, daß die sowjetische Hilfe ohne eine rumänische Reform nicht wirksam wäre. Und das Ausspielen des rumänischen Nationalismus hat nicht nur bei den ungarischen und auch deutschen Minderheiten im eigenen Land, sondern beim sozialistischen Nachbarn Ungarn böses Blut aufgerührt. Selbst der wichtigsten Säule seiner Macht, der Partei, kann sich der Diktator in Zukunft nicht mehr sicher sein. Bei Strafe des Untergangs muß sie eigenes Profil gewinnen, sollte es zu weiteren Aufständen a la Kronstadt kommen. Beflügelt würde sie, wenn Gorbatschow endlich unmißverständlich deutlich machte, daß ein Regime wie das Ceausescus nicht mehr in die neue politische Landschaft paßt. Erich Rathfelder