Auslieferung in BRD–Haft?

■ Die ehemalige RAFlerin Gabriele Tiedemann wird in der Schweiz vorzeitig aus der Haft entlassen Voraussichtlich Auslieferung in die Bundesrepublik, wo Haft und neues Verfahren drohen

Berlin (taz) - Aus der schweizerischen Strafhaft wird in diesen Tagen Gabriele (Kröcher) Tiedemann entlassen. Ihr steht wahrscheinlich die Überstellung in bundesdeutsche Haft bevor. Die einstige RAFlerin, die vor zehn Jahren - zusammen mit Christian Möller - bei einer Schießerei an der Schweizer Grenze zwei Zöllner angeschossen und schwer verletzt hatte, wurde dafür zu 15 Jahren Haft verurteilt. Das letzte Drittel ihrer Strafe ist ihr wegen guter Führung und günstiger Prognosen von den Berner Justizbehörden erlassen worden. Roland Gmür, ihr Züricher Anwalt, betonte in einem Gespräch mit der Agentur ap, daß Frau Tiedemann eine „echte Wandlung“ durchgemacht habe. Trotzdem rechnet er nicht mit einer Haftentlassung, sondern mit der Auslieferung von Frau Tiedemann an die Bundesrepublik. Dort wartet eine Reststrafe von sechs Jahren und vier Monaten auf die 36jährige. Diese Strafe rührt noch von der Zeit vor ihrer Freipressung durch die Lorenz–Entführer 1975. Außerdem existiert eine Anklageschrift gegen Frau Tiedemann im Zusammenhang mit dem Wiener Anschlag auf die Konferenz der OPEC–Minister 1976. Bei einer Verurteilung droht ihr eine lebenslange Haftstrafe. Ihr Anwalt erklärte am Dienstag, er habe das Bundesgericht angerufen und die vorläufige Nicht– Auslieferung beantragt. Dabei geht es vor allem um die geplante, aber vorläufig blockierte Heirat von Frau Tiedemann mit einem Schweizer Journalisten. Gegen diese Heirat hatten die Züricher Stadtbehörden Einspruch erhoben, da sie dahinter lediglich ein Manöver zur Umgehung der Auslieferung vermuteten. Der Schweizer Anwalt sieht nun „eine Art Wettlauf“ zwischen der von den Bundesbehörden angestrebten Auslieferung und der Verheiratung, die möglicherweise die Auslieferung verhindern könnte. Die Verbüßung der Zwei–Drittel– Strafe endet am 17. Dezember. mtm