I N T E R V I E W „Man will ihnen das Kreuz brechen

■ Marianne Hürten, Betriebsrätin bei Bayer–Leverkusen, zum „Angebot“, Stahlwerker aus Rheinhausen zu übernehmen

taz: Seit wann sucht Bayer 500 Leute? Marianne Hürten: Bayer sucht im Grunde überhaupt keine Leute, sondern es hat auch bei uns in den letzten Jahren durch die Bank Rationalisierung und Arbeitsplatzabbau gegeben. Außerdem - diese Zahl ist dem Betriebsrat vor einiger Zeit bekannt geworden - liegen Bayer rund 10.000 Bewerbungen vor. Sind die alle nicht geeignet? Müssen es Stahlarbeiter sein? Die Belegschaft schätzt die Offerte eindeutig als politisches Angebot ein. Gedacht als politische Hilfe auch für Blüm, der das ja groß verkündet hat? Ich denke ja. Für mich ist klar, daß damit den Leuten in Rheinhausen das Kreuz gebrochen werden soll, indem man suggeriert, daß es individuell einen Ausweg gibt. Die Kollegen sollen den Kampf um ihre Arbeitsplätze aufgeben. Die Unternehmer wollen mit diesen Angeboten - es gibt ja auch Offerten von Henkel - den Dampf aus dem Kampf um Rheinhausen, der von vielen Belegschaften in Krisenbranchen aufmerksam verfolgt wird, herausnehmen. Ein Erfolg in Rheinhausen würde viele ermutigen. Die in Rede stehenden Jobs sind bisher nicht ausgeschrieben worden? Nein. Man muß zu der Offerte unbedingt noch sagen, was Bayer von den Leuten verlangt: Bereitschaft zum Schichtdienst, höchste Ansprüche, was die Mobilität und Flexibilität angeht. Ein Eignungstest und die ärztliche Untersuchung kommen hinzu. Mit einem Wort: Die Leute müssen „olympiareif“ sein. Wenn Bayer 500 Leute einstellen will, dann muß ja entsprechende Arbeit vorhanden sein. Wer macht denn diese Arbeit zur Zeit? Es ist schon so, daß gerade im Schichtbereich die Beschäftigten enorm unter Druck stehen. Die sind schlicht unterbesetzt. Engpässe versucht man derzeit mit Leiharbeitern und befristeten Arbeitsverhältnissen zu überbrücken. Gibt es beim Betriebsrat eine Liste von Leuten mit befristeten Arbeitsverträgen, die Interesse hätten, fest übernommen zu werden? Eine Liste ist mir nicht bekannt, aber es gibt eine große Zahl von Interessenten. Interview: Walter Jakobs