Mafia (II)

■ Zum Urteil im Mafia–Prozeß von Palermo

Der Prozeß ist zu Ende, die Urteile sind etwa so streng wie vom Staatsanwalt gefordert. Palermo kann aufatmen. Oder nicht? Nein, Optimismus ist völlig unangebracht. Mit dem Urteil kann vor allem sie leben - die „Ehrenwerte Gesellschaft“. Ob Palermo damit leben kann, ist mehr als fraglich. So drastisch die vielen „Lebenslänglich“ klingen - der Teufel steckt, wie immer, im Detail. Und in den Details dieser Urteile ist die Revision geradezu angelegt. Außerdem: die sizilianische Mafia hat ihre Geschäfte längst in Sicherheit gebracht - ihre Rauschgift–Raffinerien arbeiten in Fernost; der Drogen– und Waffenschmuggel erfolgt über Süditalien; die Verbindung zu türkischen, persischen, israelischen, kubanischen Gangs funktioniert. Was der „Kronzeuge“ Buscetta dem Gericht erzählte, ist längst Geschichte. Die neue Mafia ist damit nicht geschädigt worden. Doch selbst wo Palermos „Ehrenwerte“ bodenständig bleiben, sehen die Fahnder eher Düsternis vor sich: Seit einem Jahr wachsen die „traditionellen“ Geschäftsbereiche der Mafia wieder sprunghaft, Entführungen, Erpressungen, Schutzgeldeintreibung, Korrumpierung von Behörden zwecks mächtiger Staatsaufträge. Und diesem bis in die entlegensten Viertel der Stadt und in die letzten Winkel der Bürokratie reichenden Sumpf vermochte bislang noch kein Prozeß beizukommen. Werner Raith