Ein Apparatschik an der Macht

■ Nach Husaks Ablösung in der CSSR siegt der konservative Flügel der Partei

Über die Situation nach dem Wechsel in der tschechoslowakischen Parteiführung sprach die taz mit Michal Reimann, Professor für Politik und Zeitgeschichte der UdSSR und Osteuropa an der FU Berlin. Im Prager Frühling war Michal Reimann Berater der politischen Führung. taz: Milos Jakes, der neue Mann an der Spitze der KPTsch, gilt als Pragmatiker und Wirtschaftsfachmann. Reimann: Zunächst muß ich bezweifeln, ob Herr Jakes als Wirtschaftsfachmann gelten kann. Er hat sich im ZK zwar mit Fragen der Wirtschaft beschäftigt, aber das qualifiziert niemanden zum Fachmann. Husak gehörte zur alten Garde. Seine politische Karriere begann vor den Krieg und er war an der Widerstandsbewegung gegen die Nazis beteiligt. 1968 begann er als Reformer, machte dann aber nach der sowjetischen Okkupation keine gute Figur mehr. Er war zwar nicht beliebt, aber er hatte die Übersicht und Erfahrung seines langen politischen Lebens hinter sich. Jakes hat diesen Hintergrund nicht. Sein Weg ist der eines Apparatschiks. Vom Führer des kommunistischen Jugendverbandes Anfang der fünfziger Jahre wurde er zum politischen Beamten par excellance. Als stellvetretender Innenminister und dann Vorsitzender der Kontrollkommission der Partei war er zwar für Säuberungen in der Partei nach dem „Prager Frühling“ mitverantwortlich, aber er war keine prägende Figur in dieser Beziehung. Wird unter seiner Führung der Demokratisierungsprozeß vorangetrieben werden können? Es gibt bekanntlich zwei Flügel in der Partei. Der eine, auf begrenzte Reform orientierte unter Ministerpräsident Strougal, der andere unter der Führung des heutigen Parteisekretariats mit Bilak, Jakes, Fojtik und Hoffmann. Am Montag noch hat Bilak im Vorfeld der ZK–Sitzung an 1968 erinnert und die sogenannte „Lehre von der krisenhaften Entwicklung“, das war das Rechtfertigungsargument der neuen Führung nach der sojwetischen Intervention, hervorgehoben. Seit langer Zeit wurde damit die Besetzung positiv erwähnt. Das ist kein gutes Omen im Moment des Wechsels der Parteiführung. Trotzdem ist die Lage nicht ganz hoffnungslos. Es gibt eine Bewegung im Land und solange sich die gegenwärtige Linie in der UdSSR hält, gibt es auch für die CSSR Hoffnung. Wie wird Jakes auf das Drängen Gorbatschows reagieren, die Wirtschaft und das politische Leben der Tschechoslowakei umzustrukturieren? Ich denke, daß die Führung unter Jakes taktisch so verfahren wird, einerseits die Wirtschaftsreformen zu machen, um sich nach außen politisch auf Moskau zu orientieren. Andererseits vermeidet sie innnenpolitische Reformen. In Moskau steht zur Zeit die Vergangenheit im Vordergrund, Prag wird alles meiden, was die Vergangenheit in die Diskussion bringt. Das Interview führte Thomas Reuter