Armer reicher Matrose aus Birma

■ Arbeitsgericht in Bremen sprach einem birmesischen Matrosen 44.000 Dollar Heuerausstände zu / Er kann mit dem Geld nicht in seine Heimat zurückkehren / Birmesische Botschaft will seinen Paß einziehen / Griechischer Reeder angeklagt

Von Michael Weisfeld

Bremen (taz) - Der birmesische Matrose Maung Thein Myint ist ein reicher Mann. Das Arbeitsgericht in Bremen hat ihm ausstehende Heuer in Höhe von rund 44.000 Dollar zugesprochen. Doch Thein Myint kann diesen Reichtum nicht in Ruhe in seiner Heimat genießen. Statt dessen verbirgt er sich in einem Dorf an der deutschen Nordseeküste, denn die Behörden seines Heimatlandes sind hinter ihm her. Die Botschaft Birmas in Bonn will ihm seinen Paß entziehen und eine Bescheinigung ausstellen, mit der er zwar nach Birma ein–, aber nicht wieder ausreisen kann. Auch seinen Plan, kurz vor Weihnachten nach Thailand zu fliegen, hat er aufgegeben, weil die thailändische Konsulin in Düsseldorf im klargemacht hat, daß ihre Regierung ihn wahrscheinlich ausliefern wird. Sollte er in seine Heimat zurückkehren, muß er mit Verhaftung und einer langen Gefängnisstrafe rechnen. Denn indem er so hartnäckig auf seiner Heuer be stand, hat Thein Myint gegen einen Handel opponiert, der Birma seit Jahren beträchtliche Deviseneinkünfte sichert: Birmesische Behörden vermitteln Billig–Matrosen an Reeder aus aller Welt. Hope heißt das Schiff, auf dem Thein Myint zuletzt angeheuert hat. Es gehörte der griechischen „Dia–Shipping“– Reederei, und ist von griechischen Schiffsoffizieren geführt worden, als es im Mai dieses Jahres in den Hafen von Bremen eingelaufen ist. Die Mannschaft bestand ausschließlich aus birmesischen Matrosen. Doppelte Abrechnungen Der katholische Seemannspastor Johannes Bieler kommt an Bord und erfährt von den Birmesen Sonderbares: An Bord werden doppelte Heuer–Abrechnungen geführt. Die Seeleute quittieren den Empfang von regulären Löhnen nach dem Tarifvertrag der „International Transportworkers Federation“ (ITF), doch nur etwa ein Fünftel dieser Tarifheuern wird in unregelmäßigen Abständen nach Birma überwiesen. Der Seemannspastor infor miert das Bremer Büro der ITF. ITF–Sekretär Hans Kreitlow kommt an Bord und kann sieben der 13 Seeleute für Klagen gegen die Reederei gewinnen. Aus Kreitlows Protokoll: „Ich frage den Kapitän, ob er auf Anordnung der Reederei doppelte Abrechnungen machen muß. Der Kapitän sagt schlicht und ergreifend: Yes.“ Die ITF erreicht innerhalb einer Stunde beim Bremer Arbeitsgericht, daß die Cape Hope arretiert wird, nicht mehr auslaufen darf. Der Gerichtsvollzieher beschlagnahmt Schiffspapiere und Arbeitsverträge. Dia–Shipping in Piräus streitet in Telefongesprächen mit der ITF alle Vorwürfe ab. Tomas Koufakos, Mitinhaber der Reederei, fliegt nach Bremen und kommt an Bord. Dort trifft er mit dem zweiten Sekretär der birmesischen Botschaft zusammen. Nach stundenlangen Gespächen mit den Matrosen starten drei Taxis vom Hafen in die Bremer Innenstadt. In der angesehenen Notarskanzlei Schackow & Partner widerrufen die Birmesen ihre Prozeßvollmacht für die ITF. In den späteren Gerichtsverhandlungen macht die Reederei von diesen Rücktrittserklärungen allerdings keinen Gebrauch. Bremer Sparkasse unterstützt Reederei Gleichzeitig springt auch die Bremer Sparkasse der bedrängten Reederei zur Seite: Sie stellt ihr eine Bürgschaft über knapp 120.000 Dollar aus. Diesen Betrag schuldete Dia–Shipping den sieben Matrosen nach den Berechnungen von ITF. Die Cape Hope läuft am 12. Mai nach Hamburg aus. Wenige Wochen später wird die Besatzung von der brimesischen Seefahrtsbehörde nach Rangoon zurückbeordert. Alle folgen der Anweisung - außer einem. Thein Myint hat im Hamburger Hafen seine Prozeßvollmacht für die ITF erneuert und ist nicht in seine Heimatstadt Rangoon, sondern zu seiner thailändischen Freundin nach Bangkok geflogen. Ende Juni treffen bei dem Bremer ITF–Anwalt Klaus Richter Rücktrittserklärungen aller sieben Matrosen ein. Vor einem Rangooner Notar sollen sie bekundet haben, daß sie von der Reederei nach dem ITF–Tarifvertrag bezahlt worden seien und daß sie ihre Prozeßvollmacht für die ITF zurückziehen. Auch eine Erklärung Thein Myints ist dabei. Zum Prozeß vor dem Bremer Arbeitsgericht erscheint Thein Myint dann als einziger Kläger gegen Dia–Shipping. Die ITF hat ihn rechtzeitig aus Thailand zurückgeholt. Er sei den ganzen Sommer über nicht in Birma gewesen, gibt er an, und sein Paß weist auch keinen Einreisestempel auf. Das Gericht vergewissert sich beim deutschen Auswärtigen Amt, daß eine Einreise ohne Stempel in Birma nicht möglich ist, und gibt den Heuerforderungen Thein Myints statt. Zumindest seine angebliche notarielle Erklärung hat sich damit als falsch erwiesen. Die ITF erstattet Anzeige wegen Prozeßbetrugs und Urkundenfälschung gegen die griechische Reederei, weil sie vermutet, daß deren Rangooner Büro die gefälschen oder erpreßten Erklärungen der Seeleute bei den Behörden bestellt hat. Die Vermittlung von Seeleuten an ausländische Reeder ist für die Rangooner Regierung zu einer wichtigen Einnahmequelle geworden. Erklärung erpreßt Birmesische Seeleute dürfen nicht auf eigene Faust anheuern, sondern müssen sich vom staatlichen SECD (Seamen Employment Control Department) vermitteln lassen. Was die Reeder dann mit den Seeleuten machen, geht die SECD nichts mehr an. Thein Myint: „Die SECD will nur, daß wir anmustern - was an Bord passiert, ist ihnen egal. Sie raten uns nur von Anfang an, uns nicht an die ITF zu wenden.“ ITF–Sekretär Hans Kreitlow weiß, daß die asiatischen Länder sich gegenseitig unterbieten, wenn es darum geht, billige und willige Seeleute international an die Reeder zu bringen. Weil Thein Myint dieses Geschäft gestört hat, habe er sich den Zorn der Behörden zugezogen. Notfalls werde Thein Myint in der Bundesrepublik politisches Asyl beantragen müssen, sagt Hans Kreitlow. Auch Thein Myint hat sich damit abgefunden, in Deutschland zu bleiben. Seinen Plan, noch im Dezember nach Bangkok zu fliegen, hat er aufgegeben, weil er befürchtet, von dort nach Birma abgeschoben zu werden. Daß die Birma–Botschaft in Bonn seinen Paß einziehen will, hat ihm Angst gemacht. Er rechnet dort mit einer längeren Gefängnishaft. Aufgrund welcher Gesetze, weiß er nicht: „Darauf kommt es bei uns nicht an.“