Kärntens kleine Apartheid

■ Die slowenische Minderheit Österreichs soll in eigenen Klassen unterrichtet werden / Allparteien–Kompromiß zur Abschaffung des zweisprachigen Unterrichts stößt auf Widerstand der Slowenen / Die Tradition des „Anti–Slowenismus“ in Kärnten / Jörg Haider, deutschnationaler Jungstar, als Vorreiter gegen die Slowenen

Wien (taz) - Abseits spektakulärer Schlagzeilen, im Schatten des politischen Dauerbrenners Waldheim, erleben wir dieser Tage in Österreich das wenig ruhmreiche Finale eines ungleichen Kampfes. Es geht um die parlamentarische Absegnung eines Schulmodells, nach dem künftig deutsch– und slowenischsprachige Kinder in Kärnten getrennt unterrichtet werden sollen. Bisher drückten die meisten Kärntner Kinder noch gemeinsam die Schulbank, wenn auch etliche Schulen eine Klassentrennung nach sprachlichen Kriterien praktizierten. Das soll nun anders werden. Das „Pädagogenmodell“ sieht vor, Klassen zu teilen, in denen mehr als sieben kinder zum Unterricht in slowenischer Sprache angemeldet sind. In Klassen, wo die Anmeldung die magische Zahl Sieben nicht erreicht, soll der Unterricht in den Hauptfächern dennoch getrennt ablaufen. Lediglich Musikerziehung, Werken, Turnen und Bildnerische Erziehung werden noch gemeinsam unterrichtet. Slowenenvertreter befürchten, daß damit die traditionellen Konflikte zwischen der deutschsprachigen Mehrheit und der slowenischsprechenden Minderheit bereits ins Kindesalter vorverlegt und in die Schulen getragen werden. Sie sprechen von der Gefahr einer Ghettoisierung ihrer Volksgruppe. Kärntens „Antisemitismus“ Ein Blick in die Geschichtsrhetorik zeigt, daß die Angst durchaus begründet ist. Antipathie und tiefes Mißtrauen der deutschsprachigen Volksgruppe den Slowenen gegenüber lassen sich bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen. Damals, als sich die Slowenen als Nation emanzipierten, fühlte sich das deutschsprachige Besitzbürgertum bedroht und entwickelte den Anti– Slowenismus als „Defensivideologie zur Sicherstellung seiner politischen Vorherrschaft und vor allem auch seines Besitzstandes“, erklärt Dietmar Larcher, Professor an der Klagenfurter Universität für Bildungswissenschaften. Er sieht Parallelen zum Antisemitismus. Immer wieder offen aufflackernder Antislowenismus läßt sich kontinuierlich durch die Geschichte verfolgen. So im Kärnt ner Abwehrkampf, als gegen Ende des Ersten Weltkriegs jugoslawische Einheiten Südkärnten besetzen und die Slowenen der Kollaboration bezichtigt werden. So auch im Nationalsozialismus, als die Slowenenfrage durch Ansiedlung „endgelöst“ werden sollte. Ein Unternehmen, das 1941 tatsächlich begonnen, bald darauf aber abgebrochen wurde, weil sich die Slowenen im Widerstand gegen Hitler organisiert hatten und man befürchten mußte, daß sich der Zulauf zu den Partisanen durch die Aussiedlungspolitik verstärkte. Zwar wurde 1945 als „Wiedergutmachung“ nationalsozialistischer Pressionen ein vorbildliches Schulwesen mit obligatorischem zweisprachigem Unterricht installiert; bereits 1955, also kurz nach der Unterzeichnung des Staatsvertrags, setzte jedoch die Propaganda gegen zweisprachiges Lehren ein. Vor allem der deutschnationale „Kärntner Heimatdienst“ (KHD) klagte, ein gemeinsamer Unterricht sei „unzumutbar“ für die Deutschsprachigen und bedeute ein Unterjochen der Mehrheit unter die Minderheit. Drei Jahre später konnte der KHD bereits die ersten Früchte seiner Arbeit ernten. Die von den Deutschnationalen geforderte und gesetzlich verankerte Anmeldepflicht für slowenischsprachigen Unterricht war ein elementarer Schritt in Richtung Entliberalisierung. Parteienkonsens ohne die Slowenen Endgültig ins Rollen kam die Minderheiten–Schulfrage schließlich durch einen 1983 gestellten Initiativantrag der Freiheitlichen Partei im Kärntner Landtag. Eine besondere Rolle spielte dabei Parteivorsitzender Jörg Haider, der Vertreter des deutsch–nationalen Flügels der Partei. Haider wurde durch eine Erbschaft zum Großgrundbesitzer in Südkärnten, also just dort, wo die slowenische Minderheit lebt. Jetzt gebährdet er sich als 150prozentiger Kärntner. Der Schulstreit ist Haider ein willkommenes Vehikel, um seinen Nationalismus zu verbreiten. Immerhin gelang es dem ehemaligen Landrat für Fremdenverkehr in Kärnten, das Ergebnis der Freiheitlichen Partei bei den letzten Parlamentswahlen auf zehn Prozent zu verdoppeln. Das vorliegende Modell ist der Kompromiß, der letztlich mit den Stimmen aller drei Kärntner Landtagsparteien, Freiheitlichen, Sozialisten und Volkspartei sowie der Bundesparteien beschlossen wurde. Slowenischer Widerstand gegen das Pädagogenmodell regt sich allerorten. Viel mehr als Protestmärsche, Protestnoten - auch aus dem benachbarten Ausland Südtirol und Slowenien - wird es wohl nicht geben. Denn obzwar den Slowenenvertretern offiziell das Mitspracherecht bei der Erstellung des Modells eingeräumt wurde, beurteilt der Slowene und Minderheitenverterter der grünen Parlamentsfraktion Karl Smolle die tatsächliche Möglichkeit zur Einflußnahme als sehr gering. Er vergleicht sie mit der Teilnahme an einem Hausbau, wo man zwar nur ein Fenster und drei Kellerstellagen beisteuern durfte, dann aber für das - mißglückte - Ganze voll mitverantwortlich gemacht wird. Ein Vergleich, für den man sich auf Ministerienseite wohl nicht so ganz erwärmen kann. Wird doch dort hartnäckig die These vertreten, Slowenenvertreter hätten gleichberechtigt mitreden können. Eine gänzliche Rücknahme des Modells hält Smolle für undenkbar, weil das Problem für die Parteien zur Prestigefrage geworden sei. Eine Rücknahme bedeute Gesichtsverlust. Im Bereich des Möglichen liegen für ihn nur Änderungen im Detail. Damit deckt sich seine Aussage mit der des zuständigen Unterrichtsministeriums. Ministersekretär Kirchberger zum seiner Ansicht nach kritischsten Punkt, der Klassenteilungszahl: „Gerade hier erwarte ich mir, daß noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.“ Das wird abzuwarten sein, denn am Zug sind jetzt Verhandlungen auf parlamentarischer Ebene im Unterrichtsausschuß. Aber, welche Zugeständnisse auch immer noch gemacht werden können, an der Tatsache einer demokratiefeindlichen Ausgrenzung und Diskriminierung der slowenischen Volksgruppe ist kaum mehr zu rütteln. Gaby Regenermel / Michael Schmid