Nach Irangate jetzt Kokagate?

■ Der in Nicaragua abgeschossene Buschpilot Denby soll Details über Drogengeschäfte der Contra–Helfer enthüllt haben / Contra–Stützpunkte in Costa Rica als Umschlagplatz für Kokainschmuggel von Kolumbien nach Miami / Denbys Informationen sollen in laufende Prozesse in den USA Aufklärung bringen

Aus Managua Georg Hodel

„Da ist ein dicker Fisch ins Garn gegangen“, kommentierte die sandinistische Tageszeitung Barricada schadenfreudig die Nachricht von der Gefangennahme des US–Buschpiloten James Jordan Denby. Der 57jährige aus Carlinville (Illinois) stammende Nordamerikaner war am Sonntag vor zwei Wochen mit seiner einmotorigen „Cessna 172“ mehrere Stunden ohne Flugerlaubnis über dem Kampfgebiet der Contra–Freischärler im Süden Nicaraguas „herumgeirrt“, bis er von einer Maschinengewehrsalve eines sandinistischen Milizsoldaten getroffen, notlanden mußte. Zehn Tage lang verhörte die sandinistische Staatssicherheit den Viehzüchter und Abenteurerpiloten aus Illinois, dann übergab sie ihn klammheimlich dem Außenministerium. Er soll, so heißt es, in diesen Tagen in die USA abgeschoben werden. Beobachter der Contra–Szene sind verblüfft: Denby, den die Contra–Freischärler in Costa Rica ehrfurchtsvoll „Commander John“ nennen, hatte nie einen Hehl aus seiner Sympathie für die antisandinistischen Rebellen gemacht. Allen, die es gerne hören wollten, erzählte er stolz, wie er zusammen mit dem Rancher–Kollegen und Contra– Helfer Hull, bekannt als „El Patron“, dutzende von waghalsigen Versorgungsmissionen nach Nicaragua geflogen und verletzte „Freiheitskämpfer“ aus dem Busch geholt hatte. Denby besitzt, ebenso wie Hull, in Costa Rica unweit der Grenze zu Nicaragua mehrere Haziendas, auf denen er dem Anschein nach Viehzucht betreibt und Zitrusfrüchte zieht. Die Verbindung zu Oliver North „So wies aussieht, müssen wir Denby laufen lassen“, erklärt ein Mitarbeiter des nicaraguanischen Innenministeriums, der bisher den Fall in den Händen hatte. „Außer der Verletzung des nicaraguanischen Luftraums können wir ihm nichts anhängen“, gesteht der nicht genannt sein wollende Beamte von der Staatssicherheit. Denby soll also ungeschoren davonkommen? „Das nicht“, versichert er mit einem vielsagenden Schmunzeln, „wir denken bloß, daß die Angelegenheit bei den Justizbehörden von Costa Rica und in Miami besser aufgehoben ist.“ Was der Beamte natürlich nicht sagen darf: Derby hatte den Sandinisten wichtige Einzelheiten über die Zusammenarbeit von Oliver Norths Leuten mit den antisandinistischen Contra–Rebellen in Costa Rica und der Kokainschieber– Szene von Medellin (Kolumbien) verraten und damit neuen Zündstoff in der sogenannten „Contragate“–Affaire in Managua deponiert. Denbys vorderhand noch geheimgehaltene Enthüllungen könnten in einer Reihe von laufenden Justizverfahren in Costa Rica und in den USA Aufschluß bringen. Etwa in dem Fall des Robert Owen. Owen gilt als Verbindungsmann von North. Zur exilkubanischen Drogenschieberszene in Costa Rica, bekannt als „Puerto Limon Connection“. Aus den Unterlagen des „Contragate“–Ausschusses des US–Kongresses geht hervor, daß Owen im Auftrag von Oliver North und dem in Miami ansässigen „Antikommunistischen Hilfskomitee für Nicaragua“ (CANAC) Geld und Waffen besorgt hatte, die zum Teil der vom US–Kongreß 1985 an die Contra–Rebellen gewährten „humanitären Hilfe“ stammten. CANAC vermittelte Dutzende von Söldnern der exilkubanischen Terrororganisation „Brigade 2506“ an die von Fernando Chamorro (“El Negro“) geleitete Südfront der antisandinistischen Freischärlerorganisation FDN in Co sta Rica. CANAC finanzierte seine Aktivitäten zum großen Teil aus dem illegalen Kokain–Handel, der vom berüchtigten Medelliner Drogenkartell in Kolumbien kontrollierten „Puerto Limon Connection“. Darüberhinaus enthüllte Denby die Beziehungen des mysteriösen John Hull zu dem kolumbianischen Kokain–Baron, Jorge Luis Ochoa. Dieser sitzt in Bogota in Auslieferungshaft und hat über die „Puerto Limon Connection“ tonnenweise „Koks“ nach Miami, New Orleans und Memphis verschifft. Auf Hills Ländereien hat die costaricanische Polizei sechs Landepisten und verschiedene Contra–Stützpunkte ausgemacht, die in der Vergangenheit für Versorgungsmissionen für die antisandinistischen Freischärler in Nicaragua benutztworden sind. Im Staatsgefängnis von „La Reforma“ in San Jose und in Miami sitzen nicht weniger als ein dutzend ehemaliger US–Söldner und Contra–Piloten, die angeben, Waffen und Munition von Miami auf John Hulls Farm geflogen und auf dem Rückweg Kokain mitgenommen zu haben. Denby, so behauptet der im „La Reforma“–Gefängnis einsitzende britische Contra–Söldner Peter Glibbery, hat ihm 1986 dabei geholfen, einen Fluchtversuch zu unternehmen, der allerdings scheiterte. Die Kokain–Connection Die „Kokainabhängigkeit“ der Contras verdeutlicht auch der Fall des Drogenschiebers Dagoberto Nunez. Der Exilkubaner besitzt in San Jose ein Exportunternehmen namens „Frigorificos des Puntarenas“. Die in Costa Rica lebenden US–Journalisten Tony Avirgan und Martha Honey, welche die Hintergründe des Attentats gegen den ehemaligen Rebellenführer Eden Pastora im Jahr 1984 aufgeklärt haben wollen, wissen, daß Nunez nicht nur an der Vorbereitung des Pastora–Attentas beteiligt war. Seine Leute sollen, so Avirgan und Honey, das Kokain, das mit Kleinflugzeugen aus Kolumbien auf John Hulls Farm geschafft worden war, auf dem Landwege nach Puerto Limon an der Atlantikküste Costa Ricas transportiert und als Fischereiprodukte getarnt nach Miami verschifft haben. Als Abnehmer des „Stoffs“ fungieren zwei in Miami registrierte Tarnfirmen namens „Ocean Hunter“ und „Mr. Shrimp“, die CANAC–Boß Francisco Chanes gehören. Chanes hat nach Darstellung von Avirgan und Honey das Attentat gegen Pastora, bei dem drei Journalisten und fünf Mitkämpfer des ehemaligen Rebellenführers ums Leben kamen, finanziert. Pastora, einst mit Denby eng liiert, bestätigt: „Denby kannte sie alle: Die Contra–Bosse, Oliver North, Robert Owen, John Hull, Dagobert Nunez und wie sie alle heißen.“ Der Rebellenführer hat mit Denby und Hull noch eine Rechnung zu begleichen. Als sich Pastora noch zu seinen aktiven Zeiten weigerte, sich der vom US– Geheimdienst CIA kontrollierten Contra–Gruppe von Fernando Chamorro anzuschließen, „beschlagnahmten“ Hulls Leute Pastoras Habseligkeiten, darunter den Kommando–Jeep des Rebellenführers, verluden die Ware in Denbys „Cessna“ und machten sich aus dem Staub. Denby wird sich, falls er tatsächlich in die USA abgeschoben wird, an der wiedergewonnenen Freiheit kaum so recht erfreuen können. Zwei Kronzeugen der Contra–Drogen–Verbindung in Costa Rica, Steven Carr und Barry Adler Seal, sind bereits tot. Carr starb wenige Tage vor der Vernehmung durch einen von Senator Kerry geleiteten Kongreßausschuß an einer Überdosis Kokain, während Seal von Killern des Ochoa–Clans erschossen wurde. Denby könnte der nächste sein.