Israels Armee will noch härter durchgreifen

■ Verteidigungsminister Rabin droht „schmerzhafte Maßnahmen“ an / USA verhindert Verurteilung Israels durch Weltsicherheitsrat / Regierung zeigt sich durch internationale Kritik unbeeindruckt / Generalstreik aller Palästinenser unter israelischer Herrschaft erfolgreich

Aus Tel Aviv Amos Wollin

Der israelische Verteidigungsminister Jitzhak Rabin hat nach seiner Rückkehr von einem zehntägigen Besuch in den USA gestern angekündigt, daß Israel in den besetzten Gebieten militärisch härter durchgreifen wird. Um Ruhe und Ordnung wiederherzustellen, werden die israelischen Truppen „alle Mittel, und zwar auch schmerzhafte Maßnahmen“ gegen Araber einsetzen und zeigen, daß palästinensische „Gewalt und Terror nichts erreichen werden“. Nach Angaben eines Militärsprechers werden die Truppen in der Westbank und im Gaza–Streifen verstärkt und wesentlich härter vorgehen als bisher. Im Rahmen dieser Politik der Eisernen Faust wird es mehr Verhaftungen, häufigere Anwendung der sogenannten administrativen Haft, Deportationen und Ausgehverbote geben. Im Hinblick auf die andauernden Unruhen, die allgemein als Volksaufstand begriffen werden, aber auch angesichts zunehmender Forderungen der israelischen Rechtsparteien - den Anschein, daß Israel die Kontrolle über die besetzten Gebiete verliert, durch verstärkte Militäraktionen zu zerstreuen - rechtfertigt die Regierung die neuen Maßnahmen mit der „kriegsähnlichen“ Situation in Westbank und Gaza. Die Entscheidung für diese Linie wird auch von US–amerikanischen Bemühungen beeinflußt sein, eine Verurteilung der israelischen Vorgehensweise bei den Unruhen durch eine Resolution des Weltsicherheitsrates zu verhindern. In militärischen Kreisen hier heißt es, die harte Linie werde beweisen, daß Aufstände keine politische Lösung bringen und daß Israel die Gebiete voll unter Kontrolle hat und entschlossen ist, sich nicht zurückzuziehen. Dabei sei gleichgültig, was die Palästinenser oder die internationale Öffentlichkeit denken. Die israelischen Behörden sind offenbar verwirrt durch die Einheit, mit der die Araber in Israel durch ihren gestrigen „Friedens– Streik“ Solidarität mit den Palästinensern in den besetzten Gebieten demonstriert haben. Der von allen arabischen Organisationen in Israel geplante Streik fand allgemeine Unterstützung und verlief bis auf Zusammenstöße zwischen Jugendlichen und Polizei in Nazareth und Um–Elfahm friedlich. Im Streikhauptquartier in Shafram übergaben Delegationen von verschiedenen Friedensgruppen und oppositionellen Linksparteien ihre Solidaritätsadressen. Am Abend drangen jedoch größere Gruppen von bewaffneten Anhängern des faschistischen Rabbi Kahane in Shafram ein. Als die empörten Bewohner versuchten, die Kahane–Gang zu vertreiben, griffen Polizisten ein und kamen den Rechtsradikalen zu Hilfe. Nach Angaben der Polizei wurden bei dem Zusammenstoß sechs Polizisten verletzt und insgesamt 22 Ka hane–Anhänger entwaffnet. Der Militärkorrespondent von Haaretz, Zeev Schiff, schrieb in der gestrigen Ausgabe der Zeitung, daß die Regierung allen Grund hat, sich angesichts des gut organiserten Generalstreiks der Palästinenser in Israel Sorgen zu machen. Er zeige eine weitgehende Koordination zwischen den Palästinensern der besetzten Gebiete und Israels. Dieser vereinte politische Kampf aller Araber unter israelischer Herrschaft sei ein unüberhörbares Warnsignal an die Regierung, die bisher solche Entwicklungen vernachlässige. Eine Politik des „Teile und Herrsche“ sei die einzige Möglichkeit, die Autorität zu wahren.