Die Öko–Banker sitzen schon in den Startlöchern

■ Das Hindernisrennen der Ökobank um die formale Zulassung nähert sich dem Ende / Das Verhältnis zur „Szene“ ist nicht immer das Gelbe vom Ei / Das Frankfurter Gründungsteam übt täglich den Spagat zwischen Etablierung und Alternativ–Anspruch / Rund um Frankfurt entsteht eine alternative Sonderförderzone

Aus Frankfurt Georgia Tornow

Auf dem Tisch ist die Ausstattung üppig, Arbeitsfrühstück ist angesagt. Unter dem Tisch liegt der Dreck zentimeterdick. Der Fußboden ist teilweise aufgerissen. Überhaupt herrscht Chaos in der zukünftigen Schalterhalle der zukünftigen Ökobank. Passanten auf der Bornheimer Landstraße in Frankfurt können sich beim Blick durchs Schaufenster nach innen locker alle Vorurteile über links– alternatives Kuddelmuddel bestätigen. Um die Ecke, in der Heidestraße, präsentiert sich die gleiche Firma dann als moderner Bürobetrieb, Computerarbeitsplätze in einem Stilgemisch von Ikea und High–tech, Begrünung wie üblich. Eine kurze Tour durchs Ganze, dann wird die Besucherin von der taz vor eine Kaffeetasse ins Bornheimer Schaufenster plaziert. Auf dem Präsentierteller sitzen die Ökobanker schon lange, auch im übertragenen Sinne. Daran haben sie sich gewöhnt. Zunft und „Szene“ überprüfen die Exoten in ihrem jeweiligen Einflußbereich immer wieder auf Herz und Nieren - nach den verschiedenen, ureigenen Kriterien, versteht sich. Daneben ist der Aufbruch der „Turnschuhbanker“ (eine Wortschöpfung der Deutschen Presseagentur) in die „Tabu–Zone“ (Die Welt) auch ein Thema erster Sahne für Berichterstatter quer durch das politische Spektrum der Republik. Wenn dabei selbst das Branchenblatt Bank und Markt zu der Einschätzung kommt, „Sie sind doch vom Solidesten!“, dann stimmt das erstens wahrscheinlich, zweitens steckt dahinter aber auch eine ausgeklügelte Pressebetreuung, insbesondere bei potentiellen Kontrahenten. Nur weil die Reporterneugier ein Alternativbetrieb bezahlt, wird die übliche Vorsicht noch lange nicht aufgegeben. Schließlich reicht das gemeinsame politische Spektrum ja auch von „A“ wie Müsli bis „A“ im Kreis. In der ersten Runde beim Lokaltermin mit der Ökobank werden deshalb auch dezent Positionen abgecheckt. Da ist es fürs Klima schon förderlich, daß beide Gesprächspartner etwa die Frage der „Professionalisierung“, in Alternativ– Projekten ein Reizthema, für eine positive Herausforderung halten. Daneben Small–talk - allerdings aus berufenem Munde. Pressesprecher Torsten Martin ist Bankprofi, ab August 1984 ehrenamtlich, seit dem 1. April 1985 hauptamtlich für die Ökobank tätig. Außerdem ist er seit ewigen Zeiten Frankfurter und kann nach der billigeren Miete zig gute Gründe dafür nennen, warum das Nordend, wo wir sitzen, als Firmensitz für die erste alternative Bank dem eigentlichen Bankenviertel Westend vorzuziehen ist. Immerhin ist das der Bezirk, in dem Joschka Fischer 23 Prozent der Wählerstimmen bekommen hat, wo es bei einer Demonstration in der Rohrbachstraße den wirklich ersten Polizeikessel gab und die Bestückung mit Szenekneipen gut, die Rücklaufquote bei der Volkszählung dagegen schlecht ist. „Irgendwie intakt“, faßt Torsten Martin zusammen. Durch die Schaufensterscheibe fällt der Blick auf eine graue Stadt. Tante Emma heißt auf der anderen Straßenseite „Feinkost Dorn“ und wirbt mit süßem Apfelmost, schräg über den Platz verheißt die „Esoterische Ecke“ unbekannte Welten. Die Häuserzeilen sind vierstöckig, intakte Bausubstanz, langweilige Fassaden, kurz: ein Frankfurter Kleinbürgerviertel. Hier hat die Ökobank gezielt gesucht und dann am Luisenplatz die Räume eines Küchenstudios übernommen, die nun umgemodelt werden. Für das Innere der Schalterhalle gibt es wegen der Sicherheitsauflagen wenig Spielraum. Das Geld wird in einem automatischen Kassenschrank liegen, bei dem die Ausgabegeschwindigkeit einstellbar ist. Wer hier Bankräuber sein will, muß viel Zeit mitbringen. Natürlich soll es auch einen Tresor geben, der Platz im Keller ist schon markiert. Noch ist das gute Geld der mittlerweile an die 13.000 Genossen aber bei einem Treuhänder in Verwahrung. Was der Kassenraum nicht hergibt, soll an anderer Stelle geboten werden: alternative Symbolik. Für die Kunden, die ja irgendwie zur „Basis“ gehören, ist nebenan ein Aufenthaltsraum mit Tee– und Kaffeeausschank vorgesehen, den Haupteingang werden zwei stilisierte Bäume dekorieren, und ganz ausgestanden ist die Frage, ob über dem Portal „Bank“ oder „Geld“ stehen soll, auch noch nicht. Der Postbote unterbricht das Gespräch auf seiner Suche nach einem normgerechten Briefkasten. Weil der fehlt, gibt er den Poststapel direkt an Martin weiter. „Naja, Sie sind ja auch noch in Gründung“, liest er von einem Brief ab. „In Gründung“ zu sein, davon haben die Ökobanker in spe langsam genug. Über vier Jahre sind vergangen, seitdem im Umkreis der Friedensbewegung die Idee einer alternativen Bank geboren wurde, die den Sparern garantiert, daß mit ihrem Geld weder direkt noch indirekt Waffengeschäfte unterstützt werden. Immerhin seit dem 17. März 1984 arbeitet der Verein „Freunde und Förderer der Ökobank“ an diesem Projekt. Während in der High–tech– Branche die Gründungen in Schüben ablaufen, ist der gleiche Vorgang bei einer Bank ein wesentlich mühsameres Geschäft. Das Gesetz über das Kreditwesen (KWG) schreibt einen formalen Rahmen vor, der bei jedem Antrag auf eine Bankengründung vom Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAK) in Berlin überprüft wird. Weil die Ökobank–Initiative für ihr Konzept aber die Form einer Genossenschaft wählen mußte - denn nur so ließ sich die für eine Bank geforderte Mindestkapitalausstattung von sechs Millionen Mark breitest gestreut aufbringen - war auch noch mit dem Bundesverband der Volks– und Raiffeisenbanken klarzukommen. Wichtig ist die Aufnahme in diese Organisation vor allem deshalb, weil nur dann die Aufnahme in den gemeinsamen Einlagensicherungsfonds aller Genossenschaftsbanken möglich ist. Wenn eine Bank Pleite geht, übernimmt dieser Fonds die Verpflichtungen gegenüber den Kunden. Aber auch ohne den an die Wand gemalten Teufel ist die Verbandsmitgliedschaft erstrebenswert, denn damit ist auch der Zugang zu speziellen Dienstleistungen gesichert, etwa dem genossenschaftlichen Rechenzentrum. Um den Bestimmungen der Genossenschaft und Kreditwesengesetze zu entsprechen, mußten die Öko–Banker immer wieder „Knüppel aus dem Weg räumen, die ihnen andere zwischen die Beine werfen.“ Darin stimmt Pressesprecher Martin ausnahmsweise einmal mit einer Bewertung der Zeitschrift Capital überein. Allerdings ist er mit dem ganzen Team auch der Meinung, daß etwa die präzise Trennung des Aufgabenbereichs der Bank und des Ökobank–Vereins, die Ausarbeitung eines 240 Seiten starken Wälzers über „Die Konzeption der Ökobank eG“ und auch die lange Suche nach Vorstandskandidaten, die auch tatsächlich beim BAK in Berlin akzeptiert werden, das Projekt zu guter Letzt gestärkt haben. Die Öko–Banker können heute mit dem 39jährigen Hans–Peter Schreiner und dem 51jährigen Franz Lässig zwei Vollprofis in ihrem Team vorweisen, die aufgrund ihrer langjährigen leitenden Positionen im Bereich der Genossenschaftsbanken das geforderte Renommee „mit links“ nachweisen können. Durch die verschiedenen Neuerwerbungen hat sich die Frankfurter Keimzelle nicht nur zahlenmäßig und nach Qualifikationen verändert. Die alte Dreier– Gruppe aus Jutta Gelbrich (verantwortlich für die Mitgliederverwaltung, Mitarbeitervertreterin und gleichzeitig stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende), Dieter Reincke (Geschäftsführer des Ökobank–Vereins und Aufsichtsratsvorsitzender) und Torsten Martin (Marketing und Öffentlichkeitsarbeit) hatte die Ökobank–Initiative schon als Untermieter beim hessischen Alternativ–Zentrum „Krebsmühle“ vorwärtsbewegt. Die Verbindungen zur Szene sind entsprechend: Man kennt sich gegenseitig als Pappenheimer. Oliver Förster, gelernter Bankkaufmann, kam im Februar 1987 aus einer leitenden Position zum Projekt, wo er seitdem als Leiter des Rechnungswesens arbeitet - unter Normalos würde so etwas als eine Yuppie Blitzkarriere eingetütet. Neben den beiden neuen Vorständen gibt es noch einen dritten Experten, der früher im Genossenschaftsbereich tätig war. Leonhardt Ruprecht ist heute Pensionär und sieht es als „sehr reizvolle Aufgabe“, der Ökobank als Innenrevisor auf die Beine zu helfen. Die neue Mischung in der Bornheimer Landstraße wirkt sich auf die Umgangsformen aus: Beim Mittagessen im Schaufenster wird nicht mehr nur geduzt. Wer wen wie anspricht, ist für Außenstehende ein wenig unübersichtlich, Hierarchie alleine entscheidet dabei jedenfalls nicht. Die Bank fängt klein an, denn ihre Hauptaufgabe sieht sie darin, Umweltprojekte und Alternativbetriebe durch Kredite zu fördern, sind Girokonten nicht für die Allgemeinheit im Angebot, sondern nur für Kreditnehmer, Firmen und Organisationen. Alles andere würde vom Verwaltungsaufwand her die personellen Kapazitäten in der ersten Phase - Hans–Peter Schreiner rechnet da mit bis zu vier Jahren - übersteigen. Da sich jetzt schon Interessenten für Kredite nach den späteren Konditionen erkundigen, gehen die Öko– Banker von einem erheblichen Bedarf aus. Ihr Hauptanliegen ist es deshalb, Geldanlagen anzubieten, die den Kapitalstock der Bank vergrößern und durch besondere Zinsregelungen - im Klartext: Verzicht auf einen Teil der Zinsen - besonders günstige Kredite für förderungswürdige Projekte zu ermöglichen. Eine Reihe von Sparbriefen ist auf verschiedene Anlagesphären und unterschiedliche Förderungsbereitschaft von Leuten mit dem berühmten bißchen mehr Geld, als sie verbrauchen, zugeschnitten. Der „Ökobank–Sparbrief“ kommt ganz normalen Einlagen am nächsten. Er soll eine Laufzeit von einem bis fünf Jahren haben und die marktüblichen Zinsen bringen. Einzige gesellschaftspolitische Auswirkung: Das über diese Schiene gesammelte Geld soll im Sinne der Satzung der Ökobank angelegt werden, also in den oben bereits genannten Bereichen. Der „Umwelt–Sparbrief“ hat die gleiche Laufzeit und den gleichen Zins, allerdings verpflichtet sich die Bank, dieses Geld ausschließlich bei Umweltprojekten anzulegen. Für den Sparbrief– Käufer gibt es dann noch eine weitere Fördermöglichkeit der Ökobank–Politik: Auf einen Teil der Zinsen kann - es wird dafür geworben, also soll man es sogar - verzichtet werden. Diese Gelder wandern in einen Pool, der jährlich an alle Förderkreditnehmer ausgeschüttet wird. Weil sich die Ökobanker nicht sicher sind, daß in diesem Bereich von vornherein genug wirtschaftlich lebensfähige Projekte bestehen, sehen sie eine ihrer Augaben auch darin, selber aktiv nach Projekten zu suchen. Wenn diese Formen sich bewährt haben, soll auch ein „Projekt–Sparbrief“ eingeführt werden, der nach dem Muster des Umweltsparbriefs funktioniert, aber ganz gezielt auf ein spezielles Projekt ausgerichtet ist. Immer wieder betonen die zukünftigen Öko–Banker die Verantwortung gegenüber ihren Kunden und die Notwendigkeit, jedes Projekt, das einen Kredit beantragt, strikt auf seine Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen. Schließlich arbeite man ja mit dem Geld fremder Leute, da sind klare Kriterien nach innen und Transparenz nach außen alles, meint Franz Lässig. Für einen Teil der „Szene“ hat sich das Frankfurter Team ganz erheblich von den Ausgangsüberlegungen des Konzepts entfernt. Für die Ökobank i.G. werden solche Differenzen besonders brisant, wenn sie als massive Kritik aus dem Ökobank–Verein kommen. Denn auch wenn beide Organisationen formal unabhängig sind, ist der Verein für die Bank als Barometer für politische Entwicklungen unverzichtbar. Schon an zwei wichtigen Punkten gab es scharfe Angriffe aus dem Verein, nämlich bei der Beschneidung der Aufsichtsrats–Kompetenzen und bei der Frage, ob der Vorsitzende der Christlich–demokratischen Arbeitsnehmerschaft, der Berliner Sozialsenator Ulf Fink, ein geeigneter Kandidat für dieses Gremium wäre. Jetzt gibt es wieder Kritik: Der Verein drängt schneller in Richtung Zweigstellen als die Bank. Die erste alternative Bank und vorerst einzige Geschäftstelle wird in Frankfurt sein. 90 Prozent des Kreditvolumens sollen in einem Radius von 60 Kilometern rund um die Hessenmetropole angelegt werden. Als Grund für diese regionale Selbstbeschränkung nannte einer der designierten Geschäftsführer, Hans–Magnus Schreiner, das Problem der Kreditkontrolle. Schließlich könne die Wirtschaftlichkeit auch eines Alternativ–Betriebes nur vor Ort überprüft werden - und da kann sich die Ökobank keinen flächendeckenden Stamm von Reisekadern leisten. Das Ökobank–Team hat als behutsames Wachstumskonzept einen Stufenplan entwickelt, in dem die Bank dem Verein noch einmal unmißverständlich klar macht, daß der Aufbau von Zweigstellen unmittelbar nicht angegangen werden kann und wird. Statt dessen sollen die interessierten Vereinssektionen zu Hause überprüfen, ob Interesse am Aufbau selbständiger Regionalfirmen besteht. Diese sollten dann für die Ökobank zum Beispiel Markterkundungsaufträge ausführen. Hierin sehen die Frankfurter eine wichtige Serviceleistung für ein „ökologisches“ Wachstum, das sie sich auch etwas kosten lassen würden. Nachdem es von bekannteren Persönlichkeiten aus dem Genossenschaftsbereich, wie etwa dem Vorstandschef der Deutschen Genossenschaftsbank, Helmut Guthardt, vor allem bissige Absagen gegeben hatte, lieferte der für Hessen und Rheinland–Pfalz zuständige genossenschaftliche Prüfungsverband im November endlich ein positives Gutachten über Satzung und Statuten der Ökobank. Damit war nun wirklich die letzte Runde im Zulassungsritual eingeläutet. Gleich am 3. November gab die Öko–Bank i.G. ihren Antrag beim Bundesaufsichtsamt in Berlin ab und hofft auf eine Antwort in der üblichen Dreimonatsfrist - natürlich positiv. Was diesen Zeitrahmen betrifft, dämpfte der Pressesprecher des BAK auf Nachfrage den Optimismus der alternativen Gründer. Weil die Bankprüfung kein Routineverfahren sei, gäbe es auch keine feste Zeitvorgabe für die Abwicklung. Er hatte aber auch eine ermutigende Auskunft parat: Chancenlose Anträge würden sich in der Regel bereits im Vorfeld erledigen. Wer das offizielle Verfahren erreiche, hätte auch beste Aussichten. So jedenfalls war es bei den 35 Erlaubniserteilungen für den Bankbetrieb von 1982 bis 1986 und den bisher 13 Fällen im laufenden Jahr. Die Alternativ–Szene kann also schon einmal anfangen, Pläne für die Gründungsfeier zu entwickeln. Denn die erste Genossenschaftsbank aus dem Umkreis der sogenannten „neuen sozialen Bewegungen“ ist es wert.