: Condor-Absturz: Streit um Radar
Flugsicherung Izmir gibt Fehlen eines Radarsystems zu / Condor hält Flughafen trotzdem für sicher ■ Aus Izmir Ömer Erzeren
Die Flugsicherung des Flughafens von Izmir, in dessen Nähe am Samstag abend eine bundesdeutsche Boeing 737 abgestürzt ist, hat jetzt zugegeben, daß man über kein Radarsystem verfügt, wie die taz bereits gestern meldete. Ein Pilot der Turkish Airlines sagte gegenüber der Zeitung Söz: „Mit einer Radaranlage wäre die Katastrophe mit Sicherheit verhindert worden.
„Rainer Ortlepp, Sprecher der Condor Flugdienst GmbH, Eigentümer der abgestürzten Boeing-Maschine, beharrte dagegen in einem Interview mit der taz von heute darauf, ein Radarsystem sei für die Landung nicht notwendig gewesen. Nach seinen Erkenntnissen habe die Ausrüstung des erst vor sechs Wochen eröffneten Flughafens den internationalen Standards entsprochen. Auch das Condor-Flugpersonal habe bislang keine Beanstandungen gemeldet. Andernfalls hätte die Gesellschaft den Flugverkehr auf jeden Fall suspendiert.
Der Condor-Sprecher dementierte alle Gerüchte über einen Sabotageakt: Aus dem Zustand der Trümmer könne schon jetzt geschlossen werden, daß an Bord eine Explosion stattgefunden habe.
Der türkische Verkehrsminister Ekrem Pakdemirli seinerseits blieb bei seiner Behauptung, Ursache für den Absturz sei „aller Wahrscheinlichkeit nach ein Pilotenfehler oder elektromagnetische Wellen.“ „Der Flughafen von Izmir ist ein sehr schöner Flughafen. Niemand soll es wagen, ihn in ein schlechtes Licht zu stellen.“ Doch überrascht wurde selbst er vom Fehlen eines Radarsystems. Kurz nach Bekanntwerden des Unglücks wurde der Korrespondent der Zeitung Yeni Asir Augenzeuge eines Gesprächs zwischem dem Minister und dem Chef der Flughafenbehörde, Öztamar. Der Minister: „Haben Sie das Flugzeug am Radarschirm verfolgt?“ Öztamer: „Nein, der Flughafen hat kein Radarsystem.“ Der Minister, der selbst früher Pilot war, darauf: „Was, es gibt kein Radar?“ Diese Zeitungsmeldung wurde vom Minister auch später nicht dementiert. Stattdessen verkündete er im Fernsehen, es sei ja ein Trost, daß die abgestürzte Maschine nicht voll belegt war.
Angesichts der gebirgigen Umgebung wäre, so sagen Flugexperten in der Türkei, für den Flughafen besonders ein sogenanntes Präzisionsanflugradar wichtig, das im Nahbereich eingesetzt wird. Damit hätte die Boeing gewarnt werden können, nachdem sie durch Ausweichmanöver vom Kurs abgewichen war. Mittlerweile zweifeln auch diejenigen türkischen Zeitungen, die am Sonntag noch den offiziellen Versionen (“Sabotage oder Pilotenfehler“) folgten, an den Ministerworten. Tenor der Kommentare: Selbst wenn der Pilot einen Fehler begangen habe, der ungünstige Standort zwischen den Bergen und die noch mangelhafte technische Ausstattung seien mitverantwortlich für die Katastrophe. Die Landebahn ist, so sagen die Kritiker, zwar für kleinere Maschinen geeignet, nicht aber für größere Jets wie die Boeing 737. Hingewiesen wird auch wieder darauf, daß der Flughafen von Ministerpräsident Özal am 17.November mit unvollständigem elektronischen System eröffnet wurde.
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