Dregger im Spagat

■ Stahlhelmer und Generalsekretär in einem Boot

Die Irritation im Lager der Kalten Krieger ist nachhaltig. Erst die wundersame Wandlung der Speerspitze des bundesdeutschen Antikommunismus – Franz Josef im Kreml – nun auch noch eine Verständigung zwischen Dregger und Honecker. Was ist los mit den liebgewordenen Feindbildern, die Jahrzehnte bundesdeutscher Politik geprägt haben?

Straußens Umfaller bei Gorbatschow ist bislang vorwiegend als Produkt der Eitelkeit des Bayern beschrieben worden. Das hört sich witzig an, aber verschleiert mehr, als es erhellt. Deutlicher wird die Logik dieser Wandlung, wenn man die deutsch-deutschen Gemeinsamkeiten, die Dregger nun mit Honecker entdeckt, auch bei Strauß in Rechnung stellt. Sowohl Strauß wie Dregger waren und sind Gegner des jetzt unterschriebenen Mittelstreckenraketenabkommens.

Daß die USA in einem solchen entscheidenden Punkt die Interessen ihrer bis dato bedingungslosen Gefolgsleute in der hiesigen Politikszene ohne Hemmungen übergangen haben, mußte Wirkungen zeigen. Seit Abschluß des INF-Abkommens nagen bei Dregger die Zweifel, ob die von ihm und Strauß definierten „deutschen Interessen“ noch mit denen der USA und damit auch der Mehrheit der NATO übereinstimmen. Das Vorhaben der Amerikaner, die Kurzstreckenraketen zu modernisieren, muß Dregger in seinen Zweifeln bestärken. So entsteht die scheinbar paradoxe Situation, daß sich die bewährtesten Kalten Krieger plötzlich mit den Gegnern von einst einiger sind als mit ihren NATO-Verbündeten. Der Gärungsprozeß im Zentrum der Union ist in vollem Gange. Jürgen Gottschlich