Landebahn gesucht

■ Der Transnuklear-Skandal entsorgt die Entsorgung

Es ist sicher übertrieben, wenn der Kommentator der Welt registriert, daß der Transnuklear-Skandal dem Ansehen der Atomindustrie schon jetzt „mehr geschadet hat als das Durchgehen des sowjetischen Havariereaktors von Tschernobyl“. Doch hat diese Bestechungsaffäre, die längst zur Entsorgungsaffäre ausgewachsen ist, ein Ausmaß angenommen, das die nach Tschernobyl entstandene Legitimationskrise der gesamten Branche neu aufrührt. Was die Krisenbewältiger der neu eingesetzten Bund-Länder-Kommission in dieser Situation als „Eckpunkte eines neuen Konzepts“ präsentieren, taugt nicht einmal als Lacher. Die Transportwege zu reduzieren, die Mol-Connection zu kappen und verstärkt im eigenen Lande zu konditionieren, mag als Konsequenz des Skandals gerechtfertigt sein. Doch damit wird das generelle Dilemma der Entsorgung nicht gelöst. Diese Misere ist das Zentrum der kriminellen Energie.

Mol war für Transnuklear und die deutschen AKW- Betreiber vor allem deshalb eine wichtige Adresse, weil sie dort auch dubiose Abfälle loswerden konnten, für die es sonst keine Lagermöglichkeiten gab, und weil sie unter dem Zwang stehen, die Abfallmenge mangels Lagerkapazität stark zu reduzieren. Diese Zwänge bleiben. Kein einziges Land hat bis heute ein schlüssiges Konzept für Umgang und Lagerung von radioaktiven Materialien entwickelt, geschweige denn die Lagerstätten dafür gebaut. Die Bundesrepublik versucht sich mit Kompakt-, Zwischen- und Zwischenzwischenlagern aus der Misere zu winden. Ein Endlager gibt es nicht – weltweit.

Die Bürgerinitiativ-Bewegung hat in den 70er Jahren die Situation der Entsorgung treffend beschrieben. Danach ähnelt der Betrieb von AKWs einem Flugzeug im Landeanflug: Doch von einer Landebahn ist weit und breit nichts zu sehen. Das gilt bis heute. Manfred Kriener