Hamadi-Gericht trotzt Drohungen

Richter und Verteidiger weisen Drohbrief der Cordes-Entführer einmütig zurück / Hamadi: nicht mißhandelt / Abbas Hamadi gilt im Libanon als Verräter / Zusammentreffen mit Alfred Schmidt im Gericht  ■ Von Johannes Nitschmann

Düsseldorf (taz) – Der vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht (OLG) wegen der Geiselnahme von zwei bundesdeutschen Geschäftsleuten in Beirut angeklagte Deutsch-Libanese Abbas Ali Hamadi (29) hat sich gestern entschieden gegen den jüngsten Drohbrief der Cordes-Entführer gewandt. Er appelliert an sie, ihr Opfer „im Namen der Menschlichkeit freizugeben“.

Zuvor hatte der Vorsitzende des Düsseldorfer Staatsschutzsenats, Klaus Arend, das am Vortag bekannt gewordene Schreiben der mutmaßlichen Cordes-Entführer verlesen, in dem schwere Vorwürfe gegen die unmenschlichen Haftbedingungen des wegen Flugzeugentführung in Frankfurt einsitzenden Hamadi-Bruders Mohamad (23) erhoben werden, und den Angeklagten zu einer Erklärung aufgefordert, „ob er gefoltert, drangsaliert oder un menschlich behandelt“ werde. Richter Arend erklärte, angesichts des ungewissen Ausgangs der Cordes-Entführung und der neuerlichen Drohungen seiner Geiselnehmer befinde sich die von ihm geführte Strafkammer „in einer Situation, wie sie das bundesdeutsche Gerichtswesen noch nicht erlebt“ habe. Dennoch werde das Strafverfahren gegen Hamadi „seinen rechtsstaatlichen Weg gehen“.

Wenn der wegen „Nötigung der Bundesregierung“, Geiselnahme und verschiedener Sprengstoffdelikte angeklagte Deutsch-Libanese unschuldig sei oder die von der Bundesanwaltschaft vorgelegten Beweise einer Verurteilung nicht stand hielten, werde Abbas Hamadi freigesprochen. Sollte er jedoch aufgrund der Beweisaufnahme der ihm zur Last gelegten Taten überführt werden, müsse ihn das Gericht, „nach dem Maß seiner Schuld“ bestrafen. Eine andere Frage werde dagegen sein, ob im Falle eines Schuldspruchs die Bonner Regierung in Verhandlungen mit den Entführern im Libanon eintrete. Für die Verbüßung einer Strafe sei alleine die Exekutive zuständig.

Die beiden Verteidiger von Hamadi boten den Cordes-Entführern an, mit ihnen über die rechtliche Situation, die Haftbedingungen ihres Mandanten und den Prozeßablauf jederzeit zu sprechen. Der Frankfurter Rechtsanwalt Eckhard Hild bescheinigte dem Düsseldorfer Staatsschutzsenat ausdrücklich „eine faire und korrekte“ Verhandlungsführung. Ausführlich setzte sich Rechtsanwalt Hild mit den Haftbedingungen seines Mandanten und dessen Bruders Mohamad auseinander. Nach einem Gespräch mit der Verteidigerin von Mohamad Hamadi könne er sagen, daß der von den Geiselnehmern im Libanon erhobene Vorwurf, die beiden verhafteten Libanesen würden gefoltert und gequält, „absolut unsinnig“ sei. Er wisse von seiner Anwaltskollegin definitiv, daß Mohamad Hamadi bislang nie über seine Haftbedingungen geklagt habe und von ihm auch keinerlei Briefe solchen Inhalts existierten.

Überraschung löste die Verteidigung mit dem Hinweis an das Gericht aus, daß ihr Mandant im Libanon zwischenzeitlich als „Verräter“ und Agent des amerikanischen Geheimdienstes verdächtigt werde. Ihnen sei „zugetragen worden“, daß Abbas Hamadi „sofort an die Wand gestellt und erschossen“ werde, wenn er nach diesem Verfahren nach Beirut zurückkehre. Gegenüber Journalisten sagte Rechtsanwalt Ludwig Höller später, offensichtlich gingen die islamischen Freiheitskämpfer im Libanon davon aus, daß ihr Mandant der Polizei unmittelbar nach seiner Festnahme das Sprengstoffversteck in Saarlouis eröffnet habe.

Anwalt Höller bestätigte, daß die Verteidigung eine Gegenüberstellung zwischen dem in Beirut entführten und zwischenzeitlich wieder freigelassenen Siemens- Techniker Alfred Schmidt und seinem angeblichen Entführer Abbas Hamadi bisher verhindert habe. Die Polizei habe sich nicht in der Lage gesehen, den Angeklagten mit fünf echten Arabern zu konfrontieren. Jetzt werden Schmidt und Hamadi erstmals in dem Hochsicherheitstrakt des OLG Düsseldorf während der Beweisaufnahme aufeinandertreffen.

Als erster Zeuge sagte am Mittwoch ein langjähriger Bekannter von Hamadi, der seit 26 Jahren in Deutschland lebende Syrier Mohamad Deruiche (48), aus. Auf die Frage des Richters, ob Hamadi in Gesprächen „fanatische Ideen“ vertreten habe, antwortete der Zeuge: „Ganz im Gegenteil, Abbas war immer gegen die ganze arabische Politik. Er ist gar kein Typ für so einen Terroristen.“