Schrumpfen statt kaputtsanieren

Rheinhausen: Alternativen zur Schließung mit schwarzen Zahlen / Aber Zerschlagung des Werkes bringt größten Profit  ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs

In diesen Tagen trifft der Rheinhausener Krupp-Betriebsrat mit dem Vorstand der Krupp-Stahl AG zu neuen Verhandlungen zusammen. Dabei geht es dem Betriebsrat darum, gemäß dem von beiden Seiten am 12.12.87 unterzeichneten „Vermerk“, auf dem Verhandlungswege möglicherweise doch noch den Stahlstandort Rheinhausen zu sichern. In dem „Vermerk“ verpflichtete sich der Vorstand, „neben den vorgelegten Modellen weitere Konzepte zu prüfen und zu erörtern. Dabei haben sozialpolitische neben den betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten eine wichtige Bedeutung. Strukturpolitische Fragen müssen angemessen berücksichtigt werden.“ Weiter heißt es in dem Dokument, daß „bei allen Überlegungen die Prüfung der Modelle im Vordergrund steht, die den Standort Rheinhausen erhalten sollen“. Das Kooperationsmodell mit Mannesmann, das die Schließung von Krupp-Rheinhausen und die Verlagerung des größten Teils der dortigen Produktion nach Mannesmann-Huckingen bedeuten würde, ist mit dem „Vermerk“ allerdings noch längst nicht vom Tisch. Rein betriebswirtschaftlich gesehen scheint das „Kooperationsmodell“ ohnehin unschlagbar. Glaubt man den Zahlen der Unternehmensleitung, die in einem der taz vorliegenden Papier enthalten sind, ließe sich mit diesem Modell zukünftig für die Krupp-Stahl AG statt des erwarteten Verlustes von etwa 2OO Mio. ein Gewinn von 220 Mio. DM realisieren. Dazu kämen jene einmaligen Erlöse, die aus dem Produktionsquotenverkauf an Thyssen entstünden – der Größte der Branche würde die Krupp-Quoten für die Schienen und Schmiedehalb zeuge erwerben –, die der Betriebsrat mit etwa 500 Mio. DM veranschlagt. Ginge es allein nach der Profitmaximierung, der Betriebsrat könnte die Suche nach Alternativlösungen sofort einstellen. Das derzeit gültige, mit dem Betriebsrat vereinbarte „Optimierungskonzept“, das eine Reduzierung der Rheinhausener Belegschaft von 6.000 (einschließlich Auszubildende) auf 4.200 vorsieht, könnte die Verluste in Rheinhausen lediglich um 20 Mio. DM pro Jahr reduzieren. Ähnliche Effekte würde die vereinbarte „Optimierung“ für die Krupp-Werke in Siegen und Hagen – hier soll die Belegschaft um etwa 1.000 auf 3.400 Beschäftigte reduziert werden – bringen. Schwarze Zahlen wären bei diesem Konzept so schnell nicht in Sicht.

Schwarze Zahlen

Erreicht würde die Gewinnzone dagegen mit einer weiteren Planungsalternative, die beim Krupp-Vorstand unter dem Stichwort „Redimensionierung“ firmiert. Dort sind fünf Modelle durchgerechnet, die alle Profite zwischen 7 und 65 Mio. DM pro Jahr versprechen. Der große Vorteil: Bei diesen Modellen fiele der Arbeitsplatzabbau wesentlich geringer als beim „Kooperationsmodell“ aus. Würde man etwa das UHP-Stahlwerk und die Grobstraße in Siegen schließen und die Produktion nach Rheinhausen verlagern, wäre für die Krupp- Stahl AG nach den Vorstandsberechnungen selbst bei Berücksichtigung der Investitionsaufwendungen ein Gewinn von 18 Mio. DM zu erwarten. Eine solche Maßnahme würde in Siegen 900 Arbeitsplätze kosten. Da in Rheinhausen aber 500 zusätzliche Kräfte gebraucht würden, läge der Nettoarbeitsplatzverlust im Vergleich zum „Optimierungskonzept“ für den gesamten Krupp- Stahl Bereich nur bei 450. Nach diesem Modell liefe Rheinhausen dann mit 4.700 Arbeitsplätzen weiter. Krupp-Stahl schriebe schwarze Zahlen – allerdings „nur“ 18 statt 220 Mio. DM Gewinn pro Jahr. Diese Zahlen entstammen den Planungsalternativen des Krupp-Managements, das nach wie vor auf die 220 Mio. setzt. Letztere Option ist für den Krupp-Vorstand auch deshalb logisch, weil das Gehalt des Vorstandsvorsitzenden sich aus dem Grundbetrag und einem am Gewinn orientierten Anteil zusammen setzt. Je höher der Gewinn, desto mehr Kohle für den Vorstandsvorsitzenden Dr. Cromme. Für die Beschäftigten, für die Region, für die gesamte Volkswirtschaft – am Werk in Rheinhausen hängen eine Vielzahl weiterer Jobs außerhalb der Branche – sieht die Rechnung dagegen ganz anders aus. Den Pfad des betriebswirtschaftlichen Optimums zu beschreiten, wäre der helle Wahnsinn – für alle Beteiligten, mit Ausnahme der Coupon-Schneider.

Gesamtlösung erforderlich

Erforderlich ist ein „Pfad der Vernunft“, ein Konzept des „solidarischen Schrumpfens“ statt der „Kaputtsanierung vieler Standorte“. An einem solchen Konzept arbeitet der „Arbeitskreis Montanindustrie“, ein Zusammenschluß linker Stahlkocher und Wissenschaftler. Ohne eine branchenweite Lösung sterben viele Standorte für sich alleine, droht ein Kampf um Produktionsanteile zwischen den einzelnen Belegschaften. Eine solche Entwicklung ist bei Krupp schon zu beobachten. Kaum daß der Siegener Krupp-Betriebsrat von dem oben dargestellten „Redimensionierungsmodell“ – Produktionsverlagerung nach Rheinhausen – erfuhr, kam es zum Aufschrei. „Wer glaubt, wir wüßten uns nicht zu wehren, dem soll deutlich werden, was es heißt, uns verschaukeln zu wollen“, schrieben die Siegener Betriebsräte Dreher und Hadem. Ein Signal, das die Fronten ahnen läßt, schriebe etwa der Rheinhausener Betriebsrat das obige Modell auf seine Fahnen. Wie der „Arbeitskreis Montanindustrie“ setzen die linken Rheinhausener Betriebsräte auf eine Modernisierung des dortigen Walzwerkes. Dazu müßten u.a. die EG-weit zum Verkauf anstehenden Ouoten – eine Untersuchung spricht von 830.000 Jahrestonnen – von Krupp zugekauft werden und Thyssen – genau umgekehrt wie im „Kooperationsmodell“ vorgesehen – einen Teil seiner Produktion (500 Arbeitsplätze) an Rheinhausen abgeben. Rheinhausen wäre so zu retten, aber schlechte Karten hätte nun der Kooperationspartner Mannesmann in Duisburg-Huckingen. Die dortige Hütte, die ebenfalls chronisch unterausgelastet ist, könnte selbst mit der auf 3.200 Beschäftigten geschrumpften Belegschaft bei dem jetzigen Programm kaum überleben. Da überrascht es nicht, daß sich die Huckinger Betriebsratsmehrheit im aktuellen Kampf um Rheinhausen so zurückhält. Ein linker Huckinger Betriebsrat, der seit langem einen gemeinsamen Kampf der IGM für eine nationale Lösung fordert, kommentiert das so: „Wenn der gemeinsame Kampf schon nicht zustande kommt, dann wäre es nur gerecht, wenn die gewännen, die tatsächlich gekämpft haben.“ So gesehen spricht alles für Rheinhausen.