„Chaebol“ erobern die Weltmärkte

■ Die Direktinvestitionen koreanischer Mammut-Unternehmen im Ausland haben sich im Jahre 1987 verdreifacht

Die Koreaner kommen – das gilt nicht nur für Produkte aus dem südostasiatischen Land, sondern auch für Betriebsstätten.In den ersten zehn Monaten haben koreanische Firmen – Regierungsangaben zufolge – 329 Mio US- Dollar in 83 Projekte im Ausland investiert, mehr als dreimal soviel wie im Vorjahr. Die akkumulierten Direktinvestitionen belaufen sich auf rund 1,6 Milliarden USDollar.

Fünf der rund ein Dutzend Chaebol, der großen Konglomerate, die Koreas Wirtschaft dominieren, haben angekündigt, im Bereich der Elektro(nik)industrie Fabriken in Europa zu betreiben. Unter ihnen befinden sich Lucky-Goldstar Konkurrent und Erzrivale „Samsung Electronics“ mit Produktionsstätten für Farbfernseher in Portugal, Mikrowellenherde in Großbritannien, „Daewoo Electronics“ in Frankreich (ebenfalls Mikrowellenherde).

Die Hyundai-Motorenwerke als größter Autoexporteur (Modell „Pony“) wollen ihre Wagen demnächst in Kanada zusammenbauen und auch die Ersatzteile vor Ort produzieren. Über ein Dutzend Textilfabrikanten haben jüngst Fabriken in den USA, Lateinamerika und Südostasien errichtet oder planen dies. Als Grund für das rapide steigende Übersee-Engagement geben Regierungsstellen und Manager unisono die „Vermeidung von Friktionen im Handel“ und die „Reduzierung des koreanischen Handelsbilanzüberschusses“ an.

Korea hat 1987 Güter im Werte von rund 46 Milliarden Dollar exportiert, aber nur Waren für 40 Milliarden Dollar importiert. Der Export von Autos verdoppelte sich 1987 auf zwei Milliarden Dollar, die Ausfuhr von Textilien und Gütern der Elektrondustrie überstieg jeweils elf Milliarden Dollar. Bei Farbfernsehern und Videogeräten lag die Steigerungsrate bei 60 bis 70 Prozent.

Während bislang vor allem die USA auf einen „Abbau dieses Ungleichgewichtes“, sprich : einen erhöhten Verkauf von US-Waren in Korea drängten, holte kurz vor Weihnachten auch die EG zum Gegenschlag gegen die oft als „zweites Japan“ titulierte neue Wirtschaftsmacht in Fernost aus. Am 18. Dezember beschlossen die Handels- und Industrieländer der Gemeinschaft, Korea ab 1988 nicht mehr die für Entwicklungsländer üblichen Zollpräferenzen zu gewähren, von denen rund ein Viertel der koreanischen Exporte in die EG profitiert hatten. Die bislang einmalige Sanktion wird Seoul geschätzte 40 bis 60 Millionen Dollar an zusätzlichen Zöllen kosten. Gleichzeitig kündigte die EG-Kommission eine Untersuchung über Dumping- Preise bei Videokassetten aus Hongkong und Korea an.

Als hätte sie derartiges vorausgesehen, beschloß die koreanische Regierung angesichts zunehmend aggressiver Töne aus Brüssel und Washington bereits im November, die staatliche Förderung von Auslandsinvestitionen koreanischer Unternehmen drastisch zu verstärken: Das Kreditvolumen der Export-Import-Bank in Seoul werde verdoppelt, die Zinsen für überseeische Inverstitionskredite gesenkt. 80 bis 90 Prozent der Investitionssumme erhalten interessierte Firmen von nun an als Kredit mit zehnjähriger Laufzeit.

Doch Vorbild Japan mit seinen mittlerweile 100 Milliarden Dollar akkumulierten Auslandinvestitionen ist noch weit entfernt. Nina Boschmann