Syrien stieht den USA im Golf die Show

Nach dem Besuch des US-amerikanischen Verteidigungsministers im Golf reduzieren die USA ihre Flotte / Glänzende Diplomatie Syriens führt zu Stop des Tankerkriegs / Golfstaaten sind die vorläufigen Gewinner der letzten Runde des Krieges  ■ Aus Manama William Hart

Daß er im Sultanat Oman wieder ausgeladen und in den anderen Golfstaaten als Retter der freien Schiffahrt gefeiert wird und daß ihm schließlich noch Syriens Präsident Assad die Tour vermasselt, hätte sich US-Verteidigungsminister Frank Carlucci vor wenigen Tagen nicht einmal im Traum vorstellen können. Aber auch der ehrgeizige neue Mann am Ruder des Pentagon mußte erfahren, wie schnell die Winde in den Golfgewässern drehen. Regelrecht freundlich empfing ihn die iranische Presse. Während US-Agenturen noch über den Aufbau der US-Kriegsflotte spekulierten, prognostizierten iranische Medien bereits korrekt, daß sein Besuch dazu diene, die Reduzierung der US-Kriegsschiffe in der Region einzuleiten. Dazu gehörte auch keine Weitsicht. Iran hatte diesen Prozeß selbst gefördert. Denn je höher die Zahl der US- Kriegsschiffe, desto zahlreicher auch die Treffer im Tankerkrieg. Anfang Dezember gingen die iranischen Revolutionswächter dazu über, in Sichtweite von Carluccis Armada Schiffe anderer Nationen zu beschießen, um die Reagan- Flotte als Papiertigergeschwader erscheinen zu lassen. Bei der Al ternative beißen oder Schwanz einziehen hätte sich Weinberger eventuell anders entschieden, Carlucci ist nicht so risikofreudig, zumal die Geleitschutz-Politik in den Golfstaaten nicht nur Freude ausgelöst hatte. Kuweit schaffte es zwar, im Schutze von US-Fregatten seine OPEC-Quote deutlich zu übertreffen, handelte sich dafür aber Einschläge iranischer Raketen ein. In den Vereinigten Arabischen Emiraten rieb man sich zwar die Hände wegen des Schiffstaus vor den Reparaturwerften, sah in der Präsenz der US-Flotte jedoch vor allem ein Moment zunehmender Spannungen. Eine internationale Flotte, wie sie die Sowjetunion vorgeschlagen hatte, wäre schon eher nach dem Geschmack der auf Ausgleich mit dem Iran bedachten sechs kleinen Scheichtümer gewesen.

Außer den vier Hauptbeteiligten Kuweit, USA, Iran und Irak hatte die US-Politik niemanden Vorteile gebracht. Kuweits Öl floß um den Preis der Raketeneinschläge, die USA konnten bei großem Finanzaufwand mehr Flagge im Golf zeigen, Iran konnte seinen militärischen Einfluß in Golfgewässern ausbreiten und Irak konnte wieder Raketen auf iranische Tanker abfeuern. Aber Irak mußte auch erkennen, daß der so wjetische Ärger über den US-Aufmarsch dazu führte, daß die Sowjetunion im Weltsicherheitsrat systematisch die Verabschiedung eines Waffenembargos gegen den Iran verschleppte. Diese magere Erfolgsbilanz hatte bereits zwischen Weihnachten und Neujahr dazu geführt, daß die Staaten des Golf-Kooperationsrates milde Töne gegenüber dem Iran anschlugen. Der obligatorischen Aufforderung an die Islamische Republik, doch umgehend den Waffenstillstandsappell des UN- Sicherheitsrates anzunehmen, folgte beim Golfrats-Gipfel keine Verurteilung Irans. Es waren nicht nur Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate, die gegenüber Teheran auf Zurückhaltung drängten. Die kommenden Tage zeigten, daß Syriens Präsident Assad geschickt Fäden zwischen den Golfstaaten und Iran gespannt hatte. Syriens Außenminister Faruk al Sharaa war in Shuttle- Mission zwischen Teheran und Riad tätig. Seit seiner Rückkehr von seiner letzten Mission am Neujahrstage nach Damaskus gab es bis heute keine Angriffe auf Schiffe im Golf, keine Bombardierungen iranischer Industrieanlagen durch die irakische Luftwaffe und keine iranischen Angriffe an der Landfront mehr. Während die internationalen Agenturen noch über den Zeitpunkt der iranischen Großoffensive spekulierten, war diese bereits ganz offensichtlich ausgesetzt worden.

Carlucci blieb dennoch tapfer und trat seine Reise an. Aber nicht er war der Mann, dem die Aufmerksamkeit galt, sondern Sharaa, der nur wenige Stunden, nachdem Carlucci seine Abschluß-Pressekonferenz in Kuwait gehalten hatte, eintraf. Auffällig beim Presseauftritt des US- Ministers war, daß er nicht nur ausgesprochen wortkarg blieb, sondern ihm sogar eine Vokabel entfallen schien, die in den vergangenen Monaten einen Platz auf der Hitliste amerikanischer Politikerworte erobert hatte.

Waffenembargo war nicht mehr die Zauberformel, mit der Iran zum Waffenstillstand gezwungen wurde. Mit dem Eingehen auf den syrischen Vermittlungsversuch hatte Teheran den USA ein weiteres Schnippchen geschlagen. Auch im sechsten Anlauf gelang es der Reagan-Mannschaft nicht, das Embargo im Sicherheitsrat durchzuboxen. Die besondere Delikatesse des iranischen Vorgehens liegt darin, daß Irak zum Einstellen seines Luftkrieges bewegt wurde, ohne daß Iran formell einem Waffenstillstand zugestimmt hat. So lautete bereits das iranische Angebot, das UN-Generalsekretär Perez de Cuellar im Herbst vorgetragen hatte. Damals lehnte Bagdad den Vorschlag noch ab. Jetzt wird er praktiziert. Iran hat die Möglichkeit, den Krieg erneut zu eskalieren oder auch einschlafen zu lassen. Syriens Assad hat die Luftwaffe seines Erzrivalen in die Unterstände verbannt, wobei Irak eigentlich mit seiner Mirage-Flotte Iran an den Verhandlungstisch bomben wollte.