Schleswig Holsteins Grüne haben eine Idee

In einem Papier wird ein „eindeutiges Koalitionsangebot“ an die SPD gefordert / Thea Bock und Otto Schily sollten Spitzenkandidaten werden, meinten Sönnichsen und andere / Wahlkampfkurs auf „Erfolg mit vollem Risiko“ gefordert / Warnung vor Resignation  ■ Von Klaus Hartung

Berlin (taz) – Zum ersten Mal seit der herben Wahlniederlage der schleswig-holsteinischen Grünen im September liegen ernsthafte Vorschläge zum Wahlkampf auf dem Tisch – knapp vier Monate vor der Wahl: In einem Papier wird ein Wahlaufruf mit einem „eindeutigen Koalitionsangebot“ an die SPD gefordert.

Dieses Angebot soll „in personeller Hinsicht konkretisiert“ werden, und zwar durch die Spitzenkandidaten Thea Bock und Otto Schily für das Umwelt- und Justizministerium. Die Verfasser, Sönnichsen (Geschäftsführer der Grünen), Steenblock (Pinneberg), Mühlenhardt (Neumünster), Voigt (Kiel), Blankschein (Lübeck) und Tank (Kiel) betonen vehement, daß der Vorschlag keine strömungspolitische Entscheidung darstellt, sondern daß diese Personen aufgrund ihrer Kompetenz und Bekanntheit in der gegenwärtigen politischen Situation „den Nagel auf den Kopf treffen“.

Insbesondere Schily sei angesichts seiner Rolle in der „Flick- Affäre“ prädestiniert, angesichts des schwarzen Filzes für eine „Demokratisierung des Justizapparates“ zu sorgen.

Die Autoren sind offensichtlich von der Sorge beherrscht, daß ihr Vorschlag in dem demoralisierten Landesverband untergehen könnte. Sie polemisieren gegen die Einstellung, die Wahl vom 8. Mai sei schon jetzt für verloren zu halten.

Man müsse vielmehr „mit vollem Risiko auf Erfolg setzen“, um über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen und eine sozialliberale Regierung zu verhindern. Die Verfasser betonen, daß der Vorschlag weder eine „Konfliktlösung“ noch eine „Kompromißlösung“ des parteiinternen Richtungsstreites darstellen solle. Vielmehr soll die „strömungspolitische Vielfalt“ des Landesverbandes bewahrt werden.

Wie schwer es eine solche Linie haben wird, zeigt ein zweites Papier von Lars Hennings, der zur „Mittelgruppe“ gerechnet wird, bei der letzten Wahl zweiter Spitzenkandidat war und wohl auch wieder kandidieren will. Ihm zufolge hat der Landesverband zwar eine Bereitschaft zur Koalition beschlossen, wünsche aber „keine öffentliche Darstellung“. Kurz: ein Wahlkampf mit einer Koalitionsaussage, die aber möglichst nicht bekannt werden soll.

Entsprechend solle mit „Bundes-Promis“ höchstens über eventuelle Wahlkampfreisen verhandelt werden. Hennings schlägt einen Kompromiß mit dieser Paradoxie vor: Schily, Vollmer, Baringdorf und Bock sollen in einem „Beratergremium“ als „direkte UnterstützerInnen“ der Landesliste fungieren. Falls dann die Grünen eine absolute SPD-Mehrheit verhindern würden, sollten sie eine „sozialliberale Regierung durch Angebote der Zusammenarbeit verhindern suchen“.

„An der Koalitionsfrage“ wolle man die „politische Erneuerung nicht scheitern lassen“. Das heißt: man ist bereit, die grüne Unschuld im bisher von der Hamburger GAL beeinflußten Landesverband aufzugeben, wenn sich der Erfolg überhaupt nicht mehr vermeiden läßt.

Laut Kieler Rundschau geben die schleswig-holsteinischen „Fundis“ zu, daß diese Vorschläge sie in Schwierigkeiten bringen, da sie „gegenwärtig“ nichts inhaltlich entgegensetzen können. Auf jeden Fall seien sie gegen eine Kandidatur Otto Schilys. Die Fundis schalten auf Abwarten: „Das klappt doch nie, und wir machen uns die Hände nicht schmutzig.“

Beide Vorschläge reflektieren die kommende Wahl als „Schicksalswahl“ und fordern einen deutlichen Bruch mit der bisherigen politischen Praxis des Landesverbandes.

Nicht nur die „Zukunft unseres Landesverbandes, sondern auch die Entwicklung der Grünen auf Bundesebene“ stehe auf dem Spiel (Sönnichsen u.a.): „Bei einer Wahlniederlage wäre unser Landesverband auf lange Sicht nicht mehr regenerierbar.“