Schwarzer Rauch liegt über dem Gaza-Streifen

Gaza-Streifen für Journalisten weitgehend gesperrt / Nach einem vorrübergehenden Abflauen der palästinensischen Protestbewegung haben israelische Maßnahmen weitere Aktionen ausgelöst / Von einer Verringerung der Militärpräsenz ist nicht mehr die Rede  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Während israelische Soldaten bemüht sind, im besetzten Gaza- Streifen die „Ordnung wiederherzustellen“, ist der größte Teil der Region für Journalisten gesperrt. Am Samstag war es unserem Taxi mit einer Gruppe von Korrespondenten nicht möglich, in die Nähe von palästinensischen Flüchtlingslagern zu gelangen. Vor dem Hintergrund einer erneuten, massiven Protestbewegung an diesem Wochenende lagen fast alle Lager und Ortschaften außerhalb unserer Reichweite.

Ziel ist es, zu verhindern, daß „unliebsame Nachrichten“ über neue militärische Maßnahmen das Ausland erreichen. Armeekreise dementierten, daß der Gaza-Streifen für Journalisten gesperrt worden sei. Zugleich hieß es jedoch, daß Befehlshaber vor Ort bestimmte Regionen wegen militärischer Operationen oder aus Sicherheitsgründen zu Sperrgebieten für Außenstehende, einschließlich Korrespondenten und Fernsehteams, erklären könnten. Daher ist es schwierig, sich ein genaues Bild der Lage zu machen. Dies umso mehr, als am Samstag in zahlreichen Städten und Flüchtlingslagern ein Aufruf der Gruppe „Islamischer Heiliger Krieg“ zum Generalstreik befolgt worden war und die Telefonverbindungen von den israelischen Behörden zum Teil unterbrochen wurden. Berichten aus Gaza zufolge wurden seit Donnerstag wieder drei Palästinenser erschossen und weitere Demonstranten verletzt.

Wegen der an allen Ecken brennenden Autoreifen schien der Gaza-Streifen am Samstag unter einer Wolke von schwarzem Rauch zu liegen. Nach Angaben von Personen, die das Gebiet verließen, kam es in Khan Yunis und dem nahegelegenen Flüchtlingslager ungeachtet einer Ausgangssperre zu neuen Protestaktionen. Soldaten in Fahrzeugen patrouillierten in den Lagern. Mitarbeiter der UNO-Flüchtlingshilfeorganisation sprachen von einer „kriegsähnlichen Situation“.

Nachdem der 1. Januar, der Gründungstag der größten Palästinenserorganisation Al Fatah, relativ ruhig geblieben war, hatten die israelischen Behörden zunächst angenommen, daß ein Abflauen der Proteste es ihnen ermöglichen würde, einen Teil der zur Verstärkung entsandten Truppen aus den besetzten Gebieten wieder abzuziehen. Mittlerweile sind jedoch zusätzliche Soldaten in den Gaza-Streifen geschickt worden, um „Ruhe und Ordnung“ wiederherzustellen.

Anlaß für die neuerlichen Protestaktionen ist die Entscheidung, neun Palästinenser aus den besetzten Gebieten des Landes zu verweisen, neue Fälle von „administrativer Haft“ ohne Gerichtsverfahren zu verfügen sowie der Tod weiterer Palästinenser. Bisher hatten sich die Reaktionen der Politiker auf das Erörtern der militärischen Taktik in den besetzten Gebieten beschränkt. Doch mittlerweile sehen auch die herrschenden Parteien, daß die Repression der „eisernen Faust“ oder das Wedeln mit „Zuckerbrot und Peitsche“ gegenüber kooperationsbereiten arabischen Notabeln nicht dazu führen werden, die „Normalität“ wieder herzustellen. Ministerpräsident Shamir erklärte am Freitag gegenüber einer Gruppe von republikanischen US-Senatoren, „wenn die Ordnung in Judäa, Samaria und Gaza wieder eingekehrt“ sei, werde Israel eine diplomatische Initiative einleiten, um gemäß des Camp-David-Abkommens „volle Autonomie für die Bewohner der (besetzten) Gebiete“ herzustellen – die seitens der Palästinenser als andere Form israelischer Herrschaft abgelehnt wird. Außenminister Shimon Peres wies den Vorschlag Shamirs am Samstagabend als „illusorisch“ zurück. Für Peres gibt es nur zwei Alternativen: Eine Einigung mit dem jordanischen König Hussein über die Abhaltung einer internationalen Nahost-Konferenz als Auftakt zu bilateralen Verhandlungen oder aber direkte Gespräche zwischen Israel und der PLO. Letzeres lehnt auch der Außenminister selbst ab.

Israelische Beobachter gehen derzeit davon aus, daß die Regierung weder über die entsprechenden militärischen Mittel noch die politischen Antworten „auf die neue palästinensische Offensive“ verfügt. Es gebe lediglich „operationelle Vorschläge“, wie etwa, eine Ausgangssperre über den gesamten Gaza-Streifen mit seinen 600.000 Bewohnern zu verhängen, um zu verhindern, daß die israelische Besatzungsmacht die Kontrolle verliert. Kommentar auf Seite 4