„Befürwortung von Homosexualität“ verboten

In London demonstrierten 8.000 Homosexuelle gegen Anti-Schwulen-Paragraphen der Regierung Thatcher / 34 Festnahmen bei der Demo / Neues Gesetz verbietet den Kommunalverwaltungen eine wie auch immer geartete „Befürwortung von Homosexualität“  ■ Aus London Rolf Paasch

Rund 8.000 Homosexuelle sind am Samstag in London gegen ein geplantes Gesetz der britischen Regierung auf die Straße gegangen, das den Lokalverwaltungen die „Befürwortung von Homosexualität“ verbieten soll. Die meisten der Teilnehmer warem dem Aufruf der „Organisation for Lesbian and Gay Action“ (OLGA) gefolgt und zogen mit einem symbolischen Knebel vor dem Mund durch die Londoner Innenstadt, was andernorts nach dem Vermummungsgebot geahndet worden wäre. In London wurden dagegen „nur“ 34 Personen festgenommen, als sich beim Vorbeimarsch an der Downing Street eine kleine Gruppe von Demonstranten vor dem Regierungssitz Frau Thatchers zu einem sit-in niederlassen wollte. Auf der Abschlußkundgebung warnte unter anderem Chris Smith, Großbritanniens einziger Abgeordneter, der das „Coming Out“ bisher gewagt hat, vor den noch nicht abzusehenden Folgen des geplanten Gummiparagraphen.

Wenn auch das Oberhaus Ende des Monats nichts gegen die an das Gesetz zur Reform der Lokalverwaltung angehangene „Klausel 27“ einzuwenden hat, werden sich die unter anderem für die Schulen verantwortlichen Ortsverwaltungen demnächst strafbar machen, wenn sie Homosexualität offen befürworten: sei es durch die Herausgabe von pro-Schwulen-Broschüren, durch die Akzeptanz von Homosexualität als normaler Alternative zur Heterosexualität in den Lehrplänen oder durch die Vergabe von Staatsknete an Schwulen und Lesbengruppen, die in der Vergangenheit wertvolle Aufklärungsarbeit betrieben haben. Wie die auch von der Regierung unterstützte Aufklärung über AIDS unter dem neuen Gesetz weiterlaufen soll, ohne daß die Schwulen implizit zu den Schuldigen erklärt werden, weiß niemand so recht.

Die Strategie der Konservativen, sich unter Margaret Thatcher auch noch als Anti-Schwulen-Partei zu profilieren, scheint jedenfalls voll aufzugehen. Aus Angst davor, als Homosexuellen-Partei gebrandmarkt und mit den sogenannten „verrückten Stadtver waltungen“ assoziiert zu werden, die sich der homosexuellen Minderheit angenommen haben, stimmte selbst die Führung der oppositionellen Labour-Partei dem umstrittenen Paragraphen zu. Wenn „Klausel 27“ demnächst ohne nennenswerten parlamentarischen Widerstand in Kraft treten wird, bleibt nur noch abzuwarten, wie lange der interessierte Leser in seiner örtlichen Leihbücherei denn noch die Romane von Oscar Wilde, Genet, Baldwin und Isherwood finden wird.