Südwest–SPD beginnt, an eigenen Erfolg zu glauben

■ Wahlkampfauftakt der baden–württembergischen Sozialdemokraten in Stuttgart / Mit der Rockgruppe „Bots“, der Internationalen und stehenden Ovationen zum neuen Fortschritt

Aus Stuttgart Dietrich Willier

Für 2.000 galt es, beim Aufbruch der SPD zum neuen Fortschritt, zur neuen Sozialdemokratie dabeizusein: Nach dem Neuen an der Spitze drehn sich die Frauen um Dieter Spöri. Der schwäbische Bundestagsabgeordnete und Finanzexperte aus Bonn wirkt wie ein Camel–Abenteurer im Boss– Outfit. Das neue Selbstbewußtsein hat die Spitze baden–württembergischer Sozialdemokratie ebenso überrascht wie Beobachter ihres Kongresses. Moderne Zeiten sind angebrochen, der absoluten christdemokratischen Mehrheit ist der Kampf angesagt, Hohn gibt es für die „machtbesessenen freidemokratischen Absahner“, Spott für die Töchter und Söhne der Villenviertel - gemeint sind die Grünen. „Aufstehen“ sangen die „Bots“, und man tats zu den Klängen der Internationalen. Zwar hören sich die letzten Umfrageergebnisse der Demoskopen noch nicht gerade nach einer Auferstehung der südwestdeutschen Sozialdemokratie an, 34 Prozent sind für sie angesagt, 1,5 Prozent mehr als bei der letzten Landtagswahl. Eins der sozialdemokratischen Wahlziele für den 20.März ist aber in greifbare Nähe gerückt. Mit 46 Prozent, wie vorausgesagt, wäre die absolute CDU–Mehrheit der vergangenen vier Legislaturperioden gebrochen. Neun Pro zent versprechen die Demoskopen den Liberalen, acht Prozent mit fallender Tendenz bleiben den Grünen. Begünstigt wird der Trend aus Bonn. Schwarze und Gelbe, so SPD–Spitzenkandidat Spöri, hätten keine wirtschaftspolitischen Perspektiven mehr zu bieten, mit hoher Arbeitslosigkeit und einer einmaligen Rekordverschuldung drohe die BRD in eine wirtschaftliche Rezession abzurutschen. Spöri forderte Bundesfinanzminister Stoltenberg wegen der Diskussion um neue Verbrauchssteuern zum Rücktritt auf, schon zum zweiten Mal versuche der Minister mit plumpen Tricks steuerpolitische Kröten erst nach einer Landtagswahl zu präsentieren. Bei anhaltender Dollar–Flaute fürchtet Spöri auch für die exportintensive baden–württembergische Wirtschaft Auftrags– und Beschäftigungseinbrüche; bei den Automobilfirmen Porsche und Audi/NSU werde bereits kurzgearbeitet. Mit dem höchsten pro Kopfeinkommen der BRD verfüge Baden– Württemberg auch über Spitzenwerte beim Waldsterben und umweltbedingten Erkrankungen, meinte Spöri. Arbeit und Umwelt, technologische Entwicklung und Humanisierung, fordere die SPD. Umweltzerstörendes Produzieren und Investieren dürfe nicht mehr mit Gewinnen belohnt, sondern müsse mit Schadstoffabgaben bestraft werden. Mit dem eingeführten Wasserpfennig würde das Verursacherprinzip auf den Kopf gestellt. Spöri forderte eine schlagkräftige Umweltpolizei, spezialisierte Staatsanwaltschaften und Gerichte. Atomkurs und die Entsorgungspolitik baden–württembergischer Atomkraftwerke nannte der SPD–Spitzenkandidat abenteuerlich und verantwortungslos. Das Land müsse sich von der veralteten Atomtechnologie lösen. Wer schon heute Transport und Lagerung von Atommüll nicht kontrollieren könne, so Spöri, soll die Finger von der Wiederaufarbeitung lassen. Baden–Württemberg müsse sich von seiner Beteiligung an Wackersdorf lösen. All diese Postulate sind ja auch für die SPD nicht neu, die Begeisterung dieses Kongresses aber signalisiert Erfolg, ganz allmählich beginnt man daran auch zu glauben. Für stürmische Ovationen mußte man hier nur Erhard Epplers Namen nennen. Die Wahlhelfer der SPD sind heuer ihre politischen Gegner, nicht nur in Stuttgart, sondern auch in Bonn und Kiel. Wir brauchen eine breite Mehrheit für den Fortschritt, zur Gestaltung und Reform, meint Landesvorsitzender Ulrich Maurer. Damit kann, bei 34 Prozent, nur eine Koalition mit der CDU gemeint sein.