Stoltenbergs Kurs heftig attackiert

■ Kritik an den Plänen des Finanzministers, das Schuldenloch 1989 mit Verbrauchssteuererhöhungen zu stopfen, stößt in den eigenen Reihen auf heftige Kritik / Nur noch Wirtschaftsminister Bangemann hält zu ihm

Hamburg (dpa) - Gegen den Plan von Bundesfinanzminster Gerhard Stoltenberg (CDU), den rapiden Anstieg der Bonner Schulden 1989 mit Hilfe einer Verbrauchssteuererhöhung bei Tabak und Mineralöl zu bekämpfen, gibt es innerhalb der Bonner Koalitionsparteien und der SPD eine breite Front des Widerstands. Nach Auffassung der SPD ist Stoltenberg mit seiner Haushaltspolitik gescheitert. Sie fordert seinen Rücktritt. Deutlich wurde aber auch, daß sich die Kritik von Koalitionspolitikern aus Union und FDP weniger gegen eine mögliche Steuererhöhung zum Ausgleich neuer Kreditaufnahmen, sondern vor allem gegen den Zeitpunkt richtet. Auf einer Wahlveranstaltung seiner Partei forderte der baden– württembergische Ministerpräsident Lothar Späth (CDU) in Metzingen (Kreis Reutlingen), die Steuerreform durchzuhalten und im nächsten Jahr eine höhere Nettoverschuldung hinzunehmen, statt Steuererhöhungen anzukündigen und in einer schwierigen Phase die Wirtschaft zu verunsichern. In einem Interview des Handelsblatt ergänzte der CDU– Politiker, es sei nicht sinnvoll, eine Steuererhöhung anzukündigen, ohne präzise zu sagen, wann was passiere. Die CSU hat nach Darstellung des Vorsitzenden der CSU–Landesgruppe im Bundestag, Theo Waigel, bereits im Bundeskabinett ihre Bedenken formuliert. Nach der Klausurtagung seiner Partei in Wildbad Kreuth nannte Waigel die Ankündigung der Steuererhöhungen verfrüht und „psychologisch falsch“. Steuererhöhungen paßten nicht in die konjukturelle Landschaft. „Ob sie 1989 passen, kann man noch nicht sagen“, meinte er. Einzig Bundeswirtschaftsminister Martin Bangemann (FDP) räumte im Deutschlandfunk ein, daß eine Verringerung der Nettokreditaufnahme auf die Dauer nur durch eine Erhöhung der Verbrauchssteuern, durch weiteren Abbau von Subventionen und durch die Fortführung einer strengen Ausgabendisziplin möglich sei. Im Bundeskabinett hatte Genscher nach Angaben aus FDP– Kreisen betont, man solle auf jeden Fall den Jahreswirtschaftsbericht abwarten, der traditionell Ende Januar vorgelegt wird. Andernfalls könne ein Beschluß zur Steuererhöhung als eine Art vorweggenommene Konjunkturprognose verstanden werden. Steuererhöhungen würden überdies nachteilige Wirkungen auf die Binnenwirtschaft und die Auslandsnachfrage haben. Die SPD–Politiker Hans Apel und Wolfgang Roth gehen davon aus, daß in diesem Jahr eine erheblich höhere Neuverschuldung als die von Stoltenberg angekündigten 40 Milliarden Mark notwendig sei. Roth sprach am Sonntag im Süddeutschen Rundfunk von 48 Milliarden Mark. Dies leitet er aus niedrigeren Wachstumserwartungen und aus der höheren Arbeitslosenzahl im Dezember ab. Der Bundesfinanzminister sollte die höhere Neuverschuldung dazu nutzen, die staatlichen Investitionen zu erhöhen. Dies wäre unter anderem mit dem Verzicht auf eine Steuerreform möglich, „die vor allem Leuten Geld gibt, die damit überhaupt keine Investitionen vornehmen, sondern immer reicher werden“. Apel legte in einem Interview mit dem privaten Sender Rheinland–Pfälzischer Rundfunk Stoltenberg erneut den Rücktritt nahe.