Staatsschutz zählte mit

■ Auch das LKA Hessen speicherte insgeheim Daten über VolkszählungsgegnerInnen

Von Reinhard Mohr

Frankfurt(taz) - Unter dem Stichwort „Volkszählung“ existieren im Computer der Staatsschutzabteilung beim hessischen Landeskriminalamt (LKA) in Wiesbaden Über vierzig Datensätze von Personen, gegen die im Zusammenhang mit der Volkszählung Ermittlungsverfahren laufen. Wie der Sprecher des hessischen Datenschutzbeauftragten Spiro Simitis, Gerhard Fuckner, der taz mitteilte, sei bei einer Überprüfung der APIS (“Arbeitsdatei für Personen, Informationen, Objekte, Sachen und Innere Sicherheit“) bereits am 9.Juli 1987 festgestellt worden, daß etwa drei Viertel dieser Daten zu Unrecht gespeichert worden sind: „Selbst Leute, denen vorgeworfen wird, das Wort Boykott an eine Wand gesprüht oder irgendwo Flugblätter mit Boykottaufruf abgelegt zu haben, sind in der Datei gelandet.“ Ein Viertel der gespeicherten Datensätze betreffe Personen, denen zum Beispiel Brandanschläge auf Erhebungsstellen zur Last gelegt werden. Am 28.Oktober hatte der Datenschutzbeauftragte die Speicherung dieser Daten in APIS beim hessischen Innenministerium beanstandet, doch bis heute keine Reaktion darauf erhalten. Simitis fordert die Löschung von drei Vierteln der Datensätze, die sich auf „Bagatelldelikte“ beziehen. Für die Geheimdatei des LKA gibt es keine klare Rechtsgrundlage. Eine Generalklausel für solche Datensammlungen bildet der Paragraph 163 Strafprozeßordnung unter dem Stichwort „Straftatenermittlung“. Das „Hessische Sicherheits– und Ordnungsgesetz“(HSOG), Stichwort „Gefahrenabwehr“, ist zusammen mit der Datei“Errichtungsanordnung“ der Innenminister des Bundes und der Länder nur eine äußerst schwammige Grundlage für die Geheimdatei, deren Ziel der Schutz der „Freiheitlich–Demokratischen Grundordnung“(FDGO) sein soll. Nun seien „klare Regeln“ und eindeutige Parameter für diese Dateien gefordert, sagte Fuckner, der allerdings keine großen Hoffnungen auf den Gesetzgeber setzt. Als „dreiste Verletzung von Bürgerrechten“ bezeichneten die Grünen in Wiesbaden den Vorfall und bezichtigten Innenminister Milde der Lüge. Er habe noch Ende Mai 1987 die Speicherung von VolkszählungsgegnerInnen in Hessen ausdrücklich bestritten. In einer Erklärung von gestern nachmittag hat der hessische Innenminister Gottfried Milde die Vorwürfe nicht dementiert.