Transnuklear–Ausschuß noch offen

■ Grüne legen Bundesregierung umfangreichen Fragekatalog zum Transnuklear–Skandal vor / Was war in den falsch deklarierten Fässern wirklich enthalten? / SPD zögert bei Forderung nach Untersuchungsausschuß

Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Die Bundesregierung wird heute mit einer Erklärung zum Transnuklear–Skandal und zur Entsorgungssituation Stellung nehmen, doch vier Wochen nach Bekanntwerden der jüngsten Etappe dieser Affäre gibt es mehr offene Fragen als zuvor. Die Grünen werden deshalb heute eine namentliche Abstimmung über ihre Forderung nach einem Untersuchungsausschuß verlangen. In einem umfangreichen Fragenkatalog, den die Fraktion gestern für dieses Gremium vorlegte, tauchen einige bislang noch nicht diskutierte Vermutungen auf: Kann in den falsch deklarierten Fässern radioaktives Material enthalten sein aus dem größeren Störfall im AKW Gundremmingen 1977, dessen Entsorgung danach im Dunkeln blieb? Was geschieht mit plutonium– und kobaldhaltigen Anhaftungen an defekten Brennelementen, die vor der Wiederaufarbeitung in England und Frankreich entfernt werden müssen? Wie der taz gestern bekannt wurde, hat das belgische Nuklearzentrum in Mol der Transnuklear bereits im Dezember mitgeteilt, wohin die 321 falsch deklarierten Fässer in den Jahren 1982 bis 1984 geliefert wurden: nämlich 64 an das GK Neckar, 150 an Würgassen, 107 an Stade. Diese Zahlen wurden von Minister Töpfer bisher nicht an die Öffentlichkeit gegeben. Aus dem belgischen Schreiben geht auch hervor, daß die Plutonium–Menge von 0,57 Milligramm pro Faß nur eine an genommene Größe ist. Während die Grünen gestern die zögerliche Haltung der SPD über die Forderung nach einem Untersuchungsausschuß zum Anlaß nahmen zu fragen, welche Leichen die Sozialdemokraten in dieser Affäre im Keller hätten, und auch der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz eine „große Koalition der Vertuscher“ anprangerte, beriet die SPD– Fraktion am Nachmittag über ihr weiteres Vorgehen. Dabei lag dem Gremium ein Antrag vor, in der kommenden Woche einen Untersuchungsausschuß mit weiter gefaßtem Auftrag zu verlangen. Der Vorschlag der Grünen sei, so der Umwelt–Obmann der SPD, Schäfer, nicht weitgehend genug, etwa in der Frage der Proliferation. Die Grünen sollten ihren Antrag vertagen. Die wird sich also heute zu einer Haltung durchringen müssen. Vor der Regierungserklärung wird Töpfer heute dem Kabinett einen aktualisierten Entsorgungsbericht vorlegen, nachdem der bereits fertige Bericht im Dezember noch einmal in die Werkstatt zurückgeschickt wurde.