Haitis Wahlfarce läuft ohne Opposition ab

■ In letzter Minute machte die Regierung Namphy einen Rückzieher und lädt immerhin ausländische Beobachter ein / Nach dem Wahlboykott der Oppositionskandidaten bleiben nur noch potentielle Marionetten des Militärs als Kandidaten übrig

Von Rita Neubauer

Port–au–Prince (taz) - Ein einziges Spruchband fordert in Petionville, dem Nobelviertel der haitianischen Hauptstadt Port–au– Prince, zur Wahl auf. An Hauswänden kleben noch - schon zerrissen und kaum leserlich - vereinzelt Wahlplakate. Ansonsten deutet auf Haiti wenig auf die am Sonntag bevorstehenden Präsidentschaftswahlen hin. Vielmehr entsteht der Verdacht, daß alles schon längst vorbei und vergessen ist. Dieser Eindruck täuscht insofern nicht, als für die Mehrzahl der Haitianer tatsächlich am 29. November vergangenen Jahres alles vorbei war. In einem Blutbad ertränkten damals die ehemaligen Anhänger des vor zwei Jahren gestürzten Diktators Jean–Claude Duvalier (Baby Doc) den ersten freien Urnengang nach 29 Jahren. Die Wahlen am 17. Januar sind für viele nichts anderes als eine Farce. Auch wenn sich die Regierung in den letzten Tagen den Anstrich gibt, als gehe alles mit rechten Dingen zu. Sie hatte im vergangenen Jahr nach dem Massaker den von ihr unabhängigen Wahlrat aufgelöst. Auch das Wahlgesetz wurde so umgemodelt, daß der Bischof von Jeremie, Willy Romulus, von „Karnevalswahlen“ sprach. Keine ausländischen Beobachter sollten die Wahllokale betreten, jeder Kandidat darf seine eigenen Wahlzettel drucken und verteilen, und die Wähler dürfen diese nicht selbst in die Urne werfen, sondern müssen sie einem Wahlbeamten übergeben. Zumindest was die Beobachter betrifft hat die Regierung von General Hanry Namphy einen Rückzieher gemacht. Auf Druck der USA, wie Analytiker vermuten. So wurden in allerletzter Minute Beobachter internationaler Organisationen, darunter auch der EG, eingeladen, und auch Journalisten mit entsprechendem Ausweis sollen zugelassen werden. Doch an dem „Ausnahmezustand“, unter dem die Wahlen nach Monaten des Terrors stattfinden, ändert diese Kosmetik nichts. Die Kandidatenzahl wurde auf elf reduziert, darunter ist keiner der früheren vier Favoriten mehr. Sie hatten nach dem Machtgriff der Regierung auf den Wahlprozeß ihre Kandidatur zurückgezogen. Auch die alten Duvalieristen wurden überraschend geschaßt, obwohl noch abzuwarten ist, wie diese regieren werden. Erneuter Terror oder Stillhalten nach Absprache gegen Beteiligung an der Macht? Übrig geblieben sind Kandidaten des Mitte–Rechts–Spektrums. Vier von ihnen werden die größten Chancen gegeben: Philippe Auguste, Lesly Manigat, Hubert de Ronceray und Gregoire Eugene. Alle zeichnen sich durch den nötigen Opportunismus aus und könnten, so Beobachter, gut als Marionetten im Spiel der Militärs fungieren. Die Opposition hält sich weitgehend verborgen. Führende Mitglieder, wie der Direktor der Menschenrechtsorganisation, Jean–Claude Bajeux, haben bereits das Land verlassen. Marc Bazin, Ex–Kandidat mit Chancen, ist nicht der einzige Politiker, der täglich sein Quartier wechselt. Selbst einfache Leute fürchten neue Gewalttaten in der Hauptstadt und fahren aufs Land. Abends sind die Straßen menschenleer. Nur schwerbewaffnete Militärs tauchen vereinzelt auf, ohne aber einen vertrauenerweckenden Eindruck zu machen. Zum Wahlboykott haben die wichtigsten vier Oppositionspolitiker aufgerufen. Die Bischofs– Konferenz will erst danach Stellung beziehen. Aber niemand erwartet eine hohe Wahlbeteiligung. Wie ausländische Beobachter den Urnengang einschätzen, verdeutlicht die Aussage eines europäischen Diplomaten: „Ich nehme an, die Regierung wird sich am Sonntag hinsetzen und die Wahl des neuen Präsidenten bekanntgeben. Wer will denn kontrollieren, wie das Ergebnis zustande gekommen ist?“