INTERVIEW
: „Beide Seiten der Realität annähern“

■ Guatemalas Staatspräsident Vinicio Cerezo äußert sich zu seiner Vermittlerrolle im Zentralamerikakonflikt und zum Dialog mit der Guerilla seines Landes / Politische Beteiligung für alle Gruppen gefordert

taz: Die Regierungen von El Salvador und Honduras behaupten, der Friedensplan tauge nichts, weil ihn Nicaragua nicht erfüllt habe. Die Sandinisten ihrerseits weisen darauf hin, sie hätten ihn besser erfüllt als andere Länder – und das, obwohl die US-Hilfe für die Contra weitergegangen ist. Welche Rolle denken Sie da zu spielen?

Cerezo: Guatemala hat zusammen mit Costa Rica eine Vermittlerrolle übernommen. Wir werden versuchen, beide Seiten der objektiven Realität zu nähern. Dazu müssen wir erst einmal eine positive Einstellung zum Friedensplan bekommen. Wenn jemand den Vertrag nicht erfüllt hat, dann muß die Frage lauten: Was können wir tun, um es ihm zu ermöglichen?

Glauben Sie, die Skepsis, die jetzt herrscht, ist auf die Haltung der USA zurückzuführen?

Zweifellos beeinflußt die Position der USA die vorhandene Skepsis, denn die USA sind gegenüber Nicaragua viel anspruchsvoller als die Regierungen Zentralamerikas. Wir müssen aber auch die positive Entwicklung sehen: Die Tatsache, daß in den USA jetzt beide politischen Parteien auf Zentralamerika Einfluß nehmen, ist für uns von großem Vorteil. Das wird nämlich zu einer ausgeglicheneren US-Politik führen – unabhängig davon, wer nun der nächste Präsident dort sein wird.

Haben Sie noch andere konkrete Vorschläge als Ihre bekannte Idee, ein zentralamerikanisches Parlament wählen zu lassen?

Ein zentralamerikanisches Parlament ist der am leichtesten gangbare Mechanismus für die Verwirklichung des demokratischen Willens. Wenn es keine Wahlen und keine Volksbeteiligung gibt, dann können Sie doch nicht wissen, ob es überhaupt einen demokratischen Willen gibt. Außerdem müssen wir das Problem des Waffenstillstandes lösen und da bei den Begriff „Waffenstillstand“ einer Prüfung unterziehen. Ich glaube, der Begriff ist nicht der beste.

Sind denn nicht die Bestimmungen über einen Waffenstillstand in den verschiedenen Ländern das Herzstück des Friedensabkommens? Die wirtschaftlichen wie die politischen Probleme sind doch auf die militärischen Probleme zurückzuführen.

Nicht unbedingt. Die Situation ist kompliziert, man muß sie in ihrer Gesamtheit sehen. Die militärischen Aktionen (von Contra und Guerilla, d.Red.) haben ja ihre Rechtfertigung, weil es einigen Gruppen unmöglich ist, sich am politischen Leben ihrer Länder zu beteiligen. Solange ihnen die jeweilige Regi Friedensprozeß gegenüber eine eher kritische Haltung eingenommen haben.

Die Vertreter der Guerilla Guatemalas, der UNRG, haben mir aber gesagt, daß sie sehr gerne den Dialog mit Ihnen fortsetzen würden.

Ich meinte die bewaffneten Gruppen in Nicaragua und El Salvador. Der Fall Guatemala liegt anders. Wir haben uns mit den bewaffneten Gruppen zusammengesetzt und ihnen mitgeteilt: Wir stellen für eure Rückkehr keine Bedingungen auf. Die einzige Bedingung steht im Gesetz: Man darf nicht mit den Waffen Politik machen.

Macht Ihre Armee denn nicht mit den Waffen Politik? Für einen wirklichen Dialog müßten doch beide Seiten gleiche Voraussetzungen haben, oder nicht?

Die in Guatemala bestehende Versöhnungskommission hat uns mitgeteilt, daß die Guerilla den Dialog fortsetzen will. Wir haben geantwortet, daß wir uns das in zwei Etappen vorstellen: Die erste bestünde in Gesprächen, in denen wir nur die ausdrückliche Absichtserklärung verlangen, daß sie sich in den politischen Prozeß auf friedliche Weise integrieren wollen.

Sie sehen, wir verlangen von ihnen nicht, daß sie kapitulieren. Wenn sie diese eine Forderung erfüllt haben, dann können sie sich am Nationalen Dialog beteiligen, den wir mit allen politischen Parteien über Grundsatzfragen und über das Regierungsprogramm führen werden. Interview Leo Gabriel