Kein Zwangstest für Häftlinge

■ Justizminister von Nordrhein–Westfalen gab neuen AIDS–Erlaß bekannt / HIV–Test für Häftlinge ist freiwillig

Von Johannes Nitschmann

Düsseldorf (taz) - Über die Behandlung von AIDS–Kranken in nordrhein–westfälischen Haftanstalten soll künftig alleine der Anstaltsleiter entscheiden. In einem an Donnerstag in Düsseldorf bekanntgewordenen Erlaß von NRW–Justizminister Rolf Krumsiek (SPD), der der taz im Wortlaut vorliegt, heißt es, „zum Schutze Dritter“ gegenüber HIV– infizierten Gefangenen treffe der Anstaltsleiter die „erforderlichen Maßnahmen“ bei der Betreuung, der Unterbringung, dem Transport, dem Arbeitseinsatz sowie „der Unterrichtung weiterer Bediensteter“. Im Gegensatz zu früheren AIDS–Erlassen des Düsseldorfer Justizministeriums, die auch innerhalb der SPD auf scharfe Kritik gestoßen waren und von dem SPD– Organ Vorwärts als „Gauweilereien“ verurteilt wurden, sieht die neue Verordnung keine Zwangsmaßnahmen mehr vor, um die Gefangenen einem AIDS–Test zu unterziehen. In Fällen einer festgestellten HIV–Infizierung sind auch nach dem neuen Erlaß die Personalakten, Transportscheine und Terminmitteilugnen des betreffenden Gefangenen mit dem Hinweis „Achtung: Blutkontakt vermeiden“ zu kennzeichnen, „soweit nicht aufgrund der Erkenntnisse über die Persönlichkeit des Gefangenen, sein Verhalten und seine Lebensweise davon abgesehen werden kann“. Krumsiek bestätigte, daß in der Vergangenheit „rote Punkte“ an die Gefängniszellen von AIDS–Kranken angeklebt worden seien. Er habe angeordnet, daß solche Maßnahmen künftig unterbleiben. In einem Zwölf–Punkte–Kata log heißt es unter anderem: „Tätowierungen sind nachdrücklich zu unterbinden.“ Und weiter: „Es ist sicherzustellen, daß für Gefangene in allen Justizvollzugsanstalten die Möglichkeit der Beschaffung von Kondomen besteht, sei es durch Bezug bei dem Kaufmann in der Anstalt, sei es durch Vermittlung der AIDS–Hilfe oder von So zialarbeitern.“ Die Ausgabe von Einwegspritzen an Gefangene lehnt Krumsiek dagegen entschieden ab: Es wäre völlig abwegig, die Haftanstalten mit Spürhunden auf Heroin zu untersuchen und andererseits Spritzbestecke an fixende Gefangene auszugeben.Selbst eine „manifeste Erkrankung“ an AIDS reicht auch nach dem neuen Erlaß nicht aus, um eine Vollzugsuntauglichkeit zu begründen oder seitens der Justizvollzugsanstalt „eine gnadenweise Entlassung des Gefangenen anzuregen“. Nach den Angaben des NRW–Justizministeirums sind in den Haftanstalten an Rhein und Ruhr derzeit 129 der insgesamt 13.899 HIV–infiziert.