Stahlarbeiter wollen handeln

Mehrere tausend Stahlarbeiter verlangen von der IGM sofortiges Handeln in der Tarifrunde / IGM-Führung kündigt Warnstreiks für nächste Woche an / Rheinhausener kamen im sieben Kilometer langen Autokorso  ■ Aus Duisburg Walter Jakobs

Mehrere tausend Stahlarbeiter haben am Donnerstag in Duisburg der eigenen IG-Metall Führung deutlich gemacht, daß sie bei der Tarifrunde im Stahlbereich eine härtere Gangart verlangen. Gegen den Willen der IGM-Bezirksleitung verschafften aufgebrachte Stahlkocher dem Dortmunder Hoesch-Vertrauensmann Johannes Köpping Zugang zum Mikrophon – und der enttäuschte die aus dem ganzen Bundesgebiet angereisten Vertrauensleute und Betriebsräte aus der Stahlindustrie nicht. „Wir haben die Schnauze voll. Merkt ihr nicht, daß das Revier zu brennen anfängt“, sagte Köpping mit Blick auf die verdatterte IGM-Bezirksleitung, die zugleich die Verhandlungsführung bei den Tarifgesprächen stellt. Die Stahlarbeiter seien die Verzögerungstaktik im Tarifkampf leid. „Das hier ist“, so Köpping weiter, „die breite Basis der IG-Metall. Wer von euch für die schnellst mögliche Einleitung der Urabstimmung ist, der hebe die Hand“. Der Mann aus Dortmund, mit tosendem Beifall von den betrieblichen Funktionären und etwa 2.000 Rheinhausener Stahlkochern, die im sieben Kilometer langen Autokorso zur Rhein- Ruhr-Halle gekommen waren, begrüßt, hatte kaum ausgesprochen, als sich Tausende Hände zum Himmel streckten. Die Aufrufe von Klaus Zwickel vom Frankfurter IGM-Hauptvorstand und dem NRW-Verhandlungsführer Werner Schmidt, den nächsten Verhandlungstermin am 20. Januar mit einem zweistündigen Warnstreik zu begleiten, reichte den in Duisburg versammelten Stahlkochern nicht. Sie wollen für die 35-Stunden-Woche gegebenenfalls streiken und sie wollen diesen Streik mit dem Kampf um die Erhaltung aller Stahlstandorte verbinden. Theo Steegmann, zweiter Vorsitzender des Betriebsrates in Rheinhausen erhält tosenden Applaus, als er sagt, daß nun Schluß damit sein müsse, „daß jede Belegschaft für sich allein kämpft“. Erst wenn die Stahlbosse merken, „daß ihnen der Arsch brennt, werden sie sich beugen“, sagt Steegmann und erntet dafür „Zugabe“- Rufe.

Die Funktionäre um den Verhandlungsleiter Werner Schmidt bangen darum, daß ihnen die Veranstaltung aus dem üblichen Rahmen läuft. Wohl deshalb werden Otto König, bundesweit bekannter IGM-Ortsbevollmächtigter aus Hattingen, und Günther Spahn, Leiter des Vertrauenskörpers bei Thyssen, daran gehindert, zu den Demonstranten zu sprechen. Bei Johannes Köpping gelang das nicht. „Wenn ihr den nicht sofort reden laßt, holen wir euch da oben runter“, sagen einige stämmige Betriebsratskollegen von Hoesch aus Dortmund und dann durfte der Vertrauensmann. Köpping läßt auch noch gleich über die Forderung nach Vergesellschaftung der Stahlindustrie abstimmen – mit ähnlichem Resultat wie bei der Urabstimmung. Diese Forderung sei „aktueller denn je“, hatte zwar auch Klaus Zwickel gesagt, aber den Männern und Frauen fehlt es an konkreten Taten seitens der IGM-Vostands. Zwickels Sorge davor, daß die Tarifauseinandersetzung angesichte der Strukturkrise „zur Nebensache zu werden droht“, scheint nach dem Verlauf dieser ersten Mobilisierungskonferenz zur Tarifrunde gänzlich unberechtigt. Die Stahlkocher scheinen bundesweit motiviert zu sein wie nie zuvor.

Am späten Donnerstag nachmittag besuchte Franz Steinkühler den Betriebsrat in Rheinhausen. Bei den Gesprächen geht es auch um die Rolle, die der von der IG- Metall gestellte Krupp-Arbeitsdirektor im Kampf um Rheinhausen bisher gespielt hat. Für die Erhaltung des Standortes habe der mit 600.000 DM Jahresgehalt ausgestattete IG-Metaller noch „nicht einen Finger gerührt“, heißt es im Betriebsrat.