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■ McCash Flows kleines Börsenlexikon erläutert den taz-Lesern, was sie schon immer wissen wollten / Von Aktie bis Zero-Bonds wird alles unter die Lupe genommen

„Wenn euch Fortuna die Hand reicht und ihr erfolgreich spekuliert, so nehmt dies bescheiden hin, preist anständig euer Geschick und verscherzt nicht durch Hochmut die günstige Fügung“, schrieb Joseph de la Vega im ersten Buch über die Börse, das 1688 in Amsterdam erschien und dessen Titel programmatisch für das steht, was seit der Erfindung des Aktienhandels durch die Holländer in der Börsenwelt angesagt ist: „Die Verwirrung der Verwirrungen.“ Um diese Konfusion etwas abzubauen, haben wir ein kleines Lexikon der Börse erstellt.

A

Die Aktie ist eine Urkunde, die einen Besitzanteil am Grundkapital einer Aktiengesellschaft (und damit Stimmrecht in der Hauptversammlung, Bezugsrecht bei der Ausgabe neuer, sogenannter junger Aktien, sowie Anspruch auf eventuelle Gewinnausschüttung) verbrieft. Die Höhe dieses Anteils ist durch den Nennwert der Aktie gegeben (bei deutschen Aktien in der Regel 50 DM), der Kurswert der Aktie wird täglich an der Börse marktmäßig ermittelt. Der Kursmakler, ein Angestellter der Börse, errechnet (aus Angebot und Nachfrage) einen Mittelwert, der am nächsten Tag auf den Kursblättern der Zeitungen als Kurs der Aktie erscheint. Unter dem Sammelbegriff Anleihen oder Renten (international: Bonds)werden festverzinsliche, langfristige Schuldverschreibungen gefaßt, die von der öffentlichen Hand wie auch von privaten Unternehmen ausgegeben und auf dem Rentenmarkt, ähnlich wie Aktien, gehandelt werden. Allerdings mit sehr viel kleineren Kursausschlägen als bei Aktien, da der Zins der Anleihe festgeschrieben ist und sich nicht, wie etwa die Gewinnaussichten einer Aktiengesellschaft, schnell ändert und spekulativen Reiz bietet. Kurschancen haben die im Umlauf befindlichen Anleihen, wenn der Leitzins sinkt, d.h. die neu ausgegebenen Schuldverschreibungen niedrigere Zinsen abwerfen.

B

„Siemens 300 Brief, VW 200 Geld“ – die bei Übertragungen aus dem Börsensaal zu hörenden Bezeichnungen tauchen auch als G oder B hinter dem Kurs in der Zeitung auf. „Geld“ bedeutet: zu diesem Kurs bestand Nachfrage aber kein Angebot, „Brief“: zu diesem Kurs gab es Verkaufsangebote aber keine Käufer. Der Zusatz „bezahlt“, der auch einfach als kleines „b“ auftaucht, bedeutet, daß Angebot und Nachfrage ausgeglichen waren.

C

Der Cash-Flow ist eine Kennzahl zur Beurteilung der Ertragskraft eines Unternehmens. Er entspricht dem Betrag, der nach Ab zug aller Ausgaben übrigbleibt und kennzeichnet die Expansionsfähigkeit des Unternehmens. Die Chartanalyse, auch „technische Analyse“ genannt, ist eine der beiden Börsen-Philosophien, auf die sich Voraussagen über die Kursverläufe der Zukunft gründen. Im Unterschied zur Fundamental-Analyse, die zur Beurteilung einer Aktie die Ertragskraft des Unternehmens, Bilanzen und Marktchancen unter die Lupe nimmt, interessiert sich der Chartist nur für die bisherige Kurs- und Umsatzentwicklung, die das Börsenverhalten der Anleger in der Vergangenheit widerspiegelt. Anhand grafischer Darstellungen (Charts) versucht er, bestimmte Eigenschaften der Kurskurven prognostisch auszuwerten und ihren weiteren Verlauf vorauszusagen. Dies geschieht nicht „auf den Punkt“, sondern in Form von Aufwärts-, und Abwärts-Kanälen, Ober- und Untergrenzen, die mit höchster Wahrscheinlichkeit weder über- noch unterschritten werden.

D

Der Dow-Jones-Index des New Yorker Verlags „Dow Jones & Comp.“ ist der Aktienindex der Aktienbörse in Wallstreet. Das Auf und Ab errechnet sich aus den Börsenkursen einer Reihe von Aktien und gibt an, ob diese im Durchschnitt gestiegen oder gefallen sind. Am bekanntesten ist der „Dow Jones Industrial“, in dem die 30 wichtigsten Industrieaktien zusammengefaßt sind. Sehr viel aussagekräftiger, weil repräsentativer, ist der „Standard & Poor Index“, der die Bewertung von 500 US-Aktien widerspiegelt. Der in der Bundesrepublik maßgebliche FAZ-Index umfaßt 100 Werte und 12 verschiedene Branchen. Basiszeitpunkt des Index ist der 31.12.58 (=100 Punkte), gegenüber dem historischen Höchststand im August 1987 (676 Punkte) hat der FAZ- Index mit heute 415 Punkten fast 40 % verloren.

E

An der Börse interessiert nicht das stattgefundene Ereignis, sondern dieErwartung eines Ereignisses, und diese Erwartung spiegelt sich in den Kursen wider, sie ist, so der Spezialausdruck, eskompiert, d.h. bereits enthalten und berücksichtigt. So könnte man z.B. sagen, daß die Erwartung von Reagans Wahlniederlage im November 88 bereits im Oktober 1987 eskompiert ist.

F

Neben dem amtlichen Handel, wo die Kurse von vereidigten Kursmaklern ermittelt werden, gibt es den Freiverkehr, englisch „Over the Counter (OTC-)Market“, wo freie Makler Preise für Wertpapiere aushandeln. Die Zulassungsbedingungen zum Freiverkehr sind weniger streng als zum amtlichen Handel, entsprechend werden dort vor allem die Aktien kleinerer in- und vor allem ausländischer Unternehmen gehandelt.

G

Genußscheine verbriefen im Unterschied zur Aktie nicht einen Anteil am Gesamtvermögen, sondern am Reingewinn eines Unternehmens. Sie werden wie Aktien gehandelt, doch haben die Genußscheininhaber in der Hauptversammlung der AG kein Stimmrecht.

H

Hausse heißt der Trend nach oben und der Haussier ist sein Prophet, wie umgekehrt der Baissier die Baisse, den Trend nach unten, kommen sieht. In der Chronik des Joseph de la Vega wird der Börsenalltag als steter Kampf zwischen diesen beiden Lagern beschrieben, die in USA als Bullen (Haussiers) und Bären (Baissiers) figurieren und bis heute mit den immergleichen psychologischen Fallen und Tricks darum kämpfen, das Stimmungsbarometer in den Griff zu kriegen.

I

So oft sie Furore machen, so schnell sind sie vergessen: die an der Börse verbotenen (aber nie auszuschließenden) Insidergeschäfte. Als Aufsichtsratsmitglied der „Taz AG International“ darf ich die vertrauliche Kenntnis, daß das marode Unternehmen „Springer“ aufgekauft werden soll, nicht dazu benutzen, die im Kurs verfallenen „Springer“-Ak tien zu erwerben oder Dritten zu empfehlen. Wie groß die Verlockung zur verbotenen Nutzung solcher Informationsvorsprünge ist, zeigt ein Beispiel wie AEG, deren Kurs sich nach Bekanntwerden des Daimler-Engagements vervielfachte.

K

Das Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV), englisch „Price-Earnings-Ratio“ (P/E) ist eine Kennzahl zur Beurteilung einer Aktie, bei der der Aktienkurs durch den Gewinn pro Aktie (dem Reingewinn des Unternehmens, der auf jede ausgegebene Aktie entfällt) dividiert wird. Das KGV gibt also an, mit dem Wievielfachen Jahresgewinn ein Unternehmen an der Börse bewertet wird. Wenn in letzter Zeit häufig von der Überbewertung japanischer Aktien die Rede gewesen ist, bezieht sich das auf die KGV von 50 oder mehr, die in Tokyo an der Tagesordnung sind, während sie in der BRD im Schnitt zwischen 8 und 10 liegen. Das KGV hängt mit dem erwarteten Gewinnwachstum zusammen und fällt deshalb für verschiedene Gesellschaften und Branchen sehr unterschiedlich aus. Fundamental gesehen ist eine Aktie mit einem KGV von 6, wie etwa VW, „billig“, während im „teuren“ Toyota-Kurs (KGV 30) schon der Jahresgewinn des Jahres 2017 „eskompiert“ (s.o) ist – auf die Kursentwicklung hat das KGV aber geringen Einfluß, so haben die „teuren“ Nippon-Aktien den Crash vom 19.10. weit besser überstanden als die „billigen“ deutschen Papiere.

L

Daß ohne Kokain bei den Wall Street Jobbern wenig läuft, ist bekannt, wenn an der Börse von Fixen die Rede ist, gehts allerdings ohne Drogen zu, bei den berüchtigten Junk-Bonds handelt es sich nicht um Heroin-Anleihen, sondern um Schuldverschreibungen angeschlagener Unternehmen. Das aus Funk und Fernsehen bekannte Frankfurter „Dollar-Fixing“ dient der Fixierung der Wechselkurse. Als „Fixen“ auf einen Tagesmittelkurs wiederum wird die Technik des Leerverkaufs bezeichnet, der Verkauf von Papieren und Waren an der Börse, die der Verkäufer noch gar nicht besitzt. Er hofft, daß die Kurse in nächster Zeit sinken und er sich dann günstiger eindecken kann. Steigen die Kurse wider Erwarten, hat sich der „Berufshan del verfixt“, wie es in den Kommentaren dann heißt. Das hochspekulative Fixen ist in Deutschland nur für einen Zeitraum von wenigen Tagen erlaubt.

M

Money makes the world go round – so lange bis sie kaputtgeht – und der Makler tut nichts anderes, als Kauf- und Verkaufsinteressenten zusammenzuführen, gegen Entrichtung einer „Courtage“, die auch bei jedem Aktiengeschäft fällig wird. Der vereidigte quasibeamtete Kursmakler vermittelt die Börsengeschäfte für die amtlich notierten Werte.

N

Als Neuemission werden Aktien einer Gesellschaft bezeichnet, die bisher nicht an der Börse vertreten war. An der Nachbörse werden von Freimaklern und im Telefonverkehr Wertpapiergeschäfte nach Abschluß der amtlichen Börsenzeit getätigt. Die nachbörslichen Notierungen gelten als Hinweis auf die Tendenz des nächsten Tages.

O

Die dritte Dimension des Börsenhandels sind die Optionsgeschäfte, der Erwerb oder die Veräußerung eines Rechts (Option) zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren. Mit einer Kaufoption (engl. Call-Option) wird gegen Zahlung eines Optionspreises das Recht erworben, während einer festgelegten Frist jederzeit eine bestimmte Anzahl Aktien zu einem festgesetzten Preis zu beziehen, eine Verkaufsoption (Put- Option) dagegen gibt dem Käufer das Recht, die Aktien zu einem vereinbarten Preis zu verkaufen. Der Reiz der Optionsgeschäfte liegt darin, mit geringem Kapitaleinsatz überproportional an den Kursgewinnen (oder Verlusten) zu partizipieren. In dem seit 1970 wieder zugelassenen deutschen Optionshandel bezieht sich eine Option auf 50 Aktien, so berechtigt eine Daimler-Kaufoption (Kurs am 13.1.: 55 DM) bis 15.10.88 zum Bezug von 50 Aktien zum Preis von 6O0 DM, steigt der Daimler-Kurs bis dahin auf 660 Mark (von heute 557) steigt der Wert der Option auf (50 mal 60) 3.000 Mark. Erreicht die Aktie den Basispreis von 600 Mark nicht, sind die 55 DM am 15.10 verloren, der Optionsbesitzer aber nicht verpflichtet, die 50 Aktien auch zu kaufen. Dasselbe gilt umgekehrt für die Verkaufsoption, mit der sich der Aktienbesitzer gegen den Kurssturz seiner Aktien quasi versichern kann, und die der Baissier spekulativ erwirbt, in der Hoffnung, bei einer Baisse die Verkaufsoption vor ihrem Ablauf mit hohem Gewinn zu veräußern. Neben dem Handel mit Optionen, werden auch Optionsscheine an der Börse gehandelt, die in der Regel zum Bezug einer Aktie zum Festpreis berechtigen und einer lang laufenden Kaufoption entsprechen.

P

Vor der Zulassung eines Wertpapiers zum Börsenhandel wird ein Prospekt erstellt, der alle maßgeblichen Daten zur Beurteilung des Unternehmens enthalten muß. Bei nachweislichen Falschaussagen kommt die Prospekthaftung zum Tragen.

Q

Eine typische Quellensteuer ist in der Bundesrepublik Deutschland die Lohnsteuer, sie wird sofort da erhoben, wo die Einkünfte entstehen. Mit der jetzt beschlossenen Quellensteuer auf Kapitalerträge werden auch diese direkt an der Quelle, der Bank, angezapft, frei nach Lenin: Kontrolle der Steuer- Ehrlichkeit ist gut, Direkt-Kassieren ist besser.

R

Zauberwort der Börsenberater nach dem Crash: auf renditestarke Aktien achten! Damit sind Aktien gemeint, deren jährliche Ausschüttung etwa dem entspricht, was mit festverzinslichen Anleihen zu erzielen ist.

S

Wie bei jedem Vergnügen ist der Staat auch bei der Spekulation dabei: Wenn zwischen Anschaffung und Verkauf der Aktie weniger als sechs Monate liegen, unterliegen die Gewinne der Spekulationssteuer. Bis zu 1.000 DM allerdings darf der kleine Spekulant pro Kalenderjahr gratis einstreichen.

T

Der diskrete Charme von Bankgeschäften ist dank luchsäugiger Finanzämter längst vorbei, ein Relikt aus alten Zeiten ist das Tafelgeschäft: Hier bekommt der Kunde gegen Barzahlung und ohne Registrierung Zug um Zug Wertpapiere ausgehändigt, deren Zins-Coupons er alljährlich schnibbelt und zur Auszahlung einreicht.

U

Die Untertassenformation ist kein Börsen-Science-Fiction, aber auch so ziemlich verrückt: Die Chart-Analyse glaubt entdeckt zu haben, daß der Kursverlauf, der die in Form einer Untertasse markiert ein Kaufsignal, d.h. einen ansteigenden Kurs, signalisiert.

V

Vorzugsaktien, auch „Vorzüge“ genannt, garantieren ihren Inhabern gewisse Vorrechte etwa bei der Ausschüttung der Dividende, nehmen ihm aber, im Unterschied zum Stamm-Aktionär, das Stimmrecht bei der Hauptversammlung.

W

Was dem kleinen Mann nie, den Großunternehmen aber zufällig und oft in gigantischer Höhe zufließen, sind Windfall profits, Gewinne, für die keine Gegenleistung erbracht wurde, weil sie etwa durch schwankende Devisen- oder Rohstoffpreise angefallen sind. Daß diese Profite tatsächlich nur der Wind bringt, daß sie sich zumindest schwer herbeizwingen lassen, konnten die Dollar-Experten in der Devisenabteilung von VW kürzlich an dem von ihnen gezauberten Millionenloch besichtigen.

Z

Hinter der Bezeichnung Zero Bond verbirgt sich keine wie immer geartete Nullösung, sondern eine festverzinsliche Anleihe ohne laufende Zinszahlung. Sie wird (bis zu 90 %) unter ihrem Nennwert ausgegeben und am Ende der Laufzeit zu diesem Nennwert zurückbezahlt. McCash Flow