Sowetos Krankenhaus: „Ekelhaft und widerlich“

■ Die Situation in Sowetos einzigem staatlichem Krankenhaus ist von den Konsequenzen der Apartheid bestimmt / Bis zu 110 Patienten in Sälen mit vierzig Betten / Die südafrikanische Gesundheitsversorgung gehört zu den Besten der Welt - allerdings nur für Weiße

Aus Johannesburg Hans Brandt

„Die Zustände in den medizinischen Sälen des Krankenhauses sind widerlich und ekelhaft. Die Situation ist unmenschlich. Die Säle sind hoffnungslos überfüllt.“ So beschrieben im September letzten Jahres 101 Ärzte am Baragwanath–Krankenhaus in Soweto die Zustände im größten Krankenhaus der südlichen Halbkugel. Die Ärzte veröffentlichten ihre Kritik in einem Brief an eine südafrikanische Ärztezeitschrift. Wiederholte Klagen bei den Behörden hatten seit 1973 zu keiner Verbesserung der Situation geführt. Letzte Woche gab es endlich eine offizielle Reaktion: Den Ärzten wurde mit Kündigung gedroht, wenn sie ihre als „unwahr“ und „abschätzig“ verurteilten Aussagen nicht formell zurücknehmen. Daan Kirstein, in der Verwaltung der Provinz Transvaal verantwortlich für das Gesundheitswesen, bestätigt, daß die Ärzte für die Veröffentlichung von „Un wahrheiten“ bestraft werden sollen. Um ihre Karriere nicht zu gefährden, haben inzwischen schon 44 Ärzte eine formelle Entschuldigung unterschrieben. Es besteht jedoch kein Zweifel an der Wahrheit der Vorwürfe. Mit 2.780 Betten ist das Baragwanath Krankenhaus das einzige staatliche Krankenhaus in Soweto, einer Siedlung mit mindestens zwei Millionen Einwohnern. In Sälen mit 40 Betten werden bis 110 Patienten untergebracht. Überzählige Patienten schlafen auf dem Boden, oft ohne Matratzen. In jedem Saal stehen drei Toiletten, ein Bad und vier Waschbecken zur Verfügung. „Wir können nicht drei Stunden lang vor der Toilette warten,“ sagt ein Patient. „Viele müssen einfach den Fußboden benutzen. Vor den Toiletten ist alles mit Urin und Exkrementen verschmutzt.“ Ein Arzt fügt hinzu, daß Patienten sterben, weil die Ärzte überfordert sind. Den Gesundheitsbehörden liegt ihr eigener Ruf mehr am Herzen als das Wohlergehen der schwarzen Patienten. Auf die Beschwerden eines leitenden Arztes antwortete ein stellvertretender Direktor für das Gesundheitswesen vor kurzem: „Baragwanath dient einer Bevölkerung der Dritten Welt. Die Patienten sind daran gewöhnt, auf dem Boden zu schlafen. Ich weiß nicht, warum Sie sich so aufregen.“ Auf einen Mangel an Geld oder medizinischem Können sind die Zustände im Baragwanath–Krankenhaus allerdings nicht zurückzuführen. Immerhin rühmt sich Südafrika, in der Medizin zu den führenden Ländern der Welt zu gehören. Doch im Apartheid– Staat sind es vor allem die privilegierten Weißen, denen dieses Können zugute kommt. Dabei werden kaum Ausgaben gescheut. 300 Mio. Rand (etwa 270 Mio. Mark) sind für den Bau eines neuen Krankenhauses in Pretoria bewilligt worden. Die Einrichtung wird zur Hälfte für Weiße re serviert sein, obwohl das größte Krankenhaus für Weiße in der südafrikanischen Hauptstadt keineswegs ausgelastet ist. Während in Soweto Patienten auf dem Boden schlafen und wegen Überfüllung und Vernachlässigung sterben, steht das größte Krankenhaus im benachbarten weißen Johannesburg zur Hälfte leer. Das Johannesburger Krankenhaus hat Platz für 2.000 Betten. Nachdem vor kurzem weitere Säle geschlossen wurden, sind zur Zeit 820 Betten belegt. Als Begründung wird ein Mangel an ausgebildeten Krankenschwestern angegeben. Die Apartheid bestimmt jedoch, daß das Krankenhaus weder schwarze Schwestern anstellen noch schwarze Patienten zulassen darf. Die Diskriminierung von Schwarzen zeigt sich auch in den öffentlichen Aufwendungen für Krankenhäuser verschiedener Rassen. So gab der Apartheid– Staat 1985 täglich 45 Rand (etwa 40 Mark) pro Patient im Baragwanath–Krankenhaus aus, während im Johannesburger Krankenhaus 209 Rand (190 Mark) pro Patient spendiert wurden. Dennoch bestätigten unabhängige Untersuchungen, daß Baragwanath das bei weitem beste Krankenhaus für Schwarze in Südafrika ist.