Philippinen: Wahlen erfreuen Totengräber

Lokalwahlen sind im Vakuum politischer Programme Kunst der Addition / Pressesprecher Benigno: Opfer sind unvermeidlich / Volkes Stimme: Kandidaten sind doch alle von der gleichen Sorte / Sieg des Aquino-Bündnisses erwartet  ■ Aus Manila Gebhard Körte

Schaurige Sensenmänner, Kreuze, Särge und rauchende Vulkane, unmißverständliche Symbole für Tod und unkontrollierbare Gewalt, beherrschen seit Wochen die politischen Karikaturen auf den Philippinen. Bunt bemalte und phantasievoll dekorierte Jeepneys, zum Massentransportmittel umfunktionierte und längst nachgebaute qualmende Relikte aus dem Feldzug der Amerikaner gegen die japanischen Besatzer, sind mit Transparenten verkleidet und mit scheppernden Lautsprecherbatterien aufgerüstet. Sie führen Autokolonnen an, die hupend und lärmend die Stadtviertel unsicher machen.

Was ist los, wozu der Aufwand? Da weder ein Zirkus seine Zelte aufgeschlagen hat noch die Bevölkerung auf den unausweichlich scheinenden Entscheidungskampf gegen die linken Guerilleros eingestimmt werden soll, kann es sich nur um Wahlen handeln. Tatsächlich stehen am heutigen Montag Lokalwahlen an. Vakante Positionen in den Kommunen der Inselrepublik, die nach der unfreiwilligen Demission des exiltierten Herrscherpaares Ferdinand und Imelda freigeworden waren, sind zu vergeben. Die meisten Stadt- und Provinzchefs waren nach Frau Aquinos Amtsantritt in einer umstrittenen Aktion von der Regierung gefeuert und durch Interimsgouverneure und –bürgermeister ersetzt worden. Etwa 150.000 Kandidaten konkurrieren um 16.000 Posten.

Bis zum Wochenende forderte das erbitterte Ringen mächtiger Clans um die Vorherrschaft in „ihren“ Regionen, die oft seit Generationen als Familiendomäne betrachtet werden, fast 90 Tote. Wenn die wenigen ernstzunehmenden Gegner nicht durch Tricks, Schmutzkampagnen und Drohungen ausgeschaltet werden können, werden ohne allzuviel Skrupel Schußwaffen eingesetzt. Mindestens 100.000 illegal eingeführte, von Streitkräften und Polizei „verlorene“ Revolver, Gewehre und Maschinenpistolen befinden sich im Land. Regierungssprecher Benigno kommentierte achselzuckend, gerade bei Lokalwahlen seien Opfer unvermeidlich. Weniger als 100 Familien beherrschen neben ausländischen Konzernen die Wirtschaft. Millionen landlosen Pächtern, Farmarbeitern und Kleinstbauern steht eine kleine einflußreiche Clique von Großgrundbesitzern gegenüber.

Der erwartete Wahlsieg der Regierungskoalition werde, befürchtete die linke „Partei des Volkes“ (PNB), auf „blutige faschistische Attacke gegen die Linke hinauslaufen“. Geschwächt durch internen Hader nach der Pleite bei den Kongreßwahlen und aufgrund von Sicherheitsüberlegungen und finanziellen Problemen hat die PNB nicht einmal 100 Kandidaten aufgestellt.

Die Chefs der beiden Regierungsparteien „PDP-Laban“ und „Lakas NG Bansa“, Präsidentinbruder Jose Cojundco und Schwager Paul Aquino, haben ein Machtkartell zusammengestellt, das auf faule Trümpfe im Ärmel nicht verzichten mag. Nur dürftig mit dem „Geist nationaler Aushöhlung“ getarnt, wurden vor allem in der Marcosheimat Ilocos im Norden Luzons Allianzen mit An hängern des Ex-Diktators geschmiedet, die sich ihren Ruf als „Kriegskönige“ verdient haben. Nicht alle Parteien der längst brüchig gewordenen „Regenbogenkoalition“, die Aquino ins Amt verhalf, machen eine derart unverfrorene Realpolitik. Jovito Salonga, Senatspräsident und Führer der „Liberalen Partei“, ging letzte Woche auf die Palme: „Wir haben nicht 14 Jahre unter der Marcos-Diktatur gelitten, nur um die Rückkehr zu seinen Praktikern zu erleben.“ Nur wenige Optionen bleiben den augenblicklich so geschätzten Massen in den meisten Wahlbezirken. Sie können das kleinere Übel wählen, zu Hause bleiben oder sich vom möglichst teuer verkauften Votum einen guten Tag machen. Doch reicht das aus, um bis 1992, dem nächsten Wahljahr, zu überleben?