Die Pfeifen der IAEO

Die internationalen Aufpasser über alle zivilen Atomanlagen, die Wiener Internationale Atomenergie–Agentur (IAEO) ist mit ihrer Aufgabe völlig überfordert. In einem bisher geheimgehaltenen und jetzt vom Spiegel publik gemachten Tätigkeitsbericht räumt die Kontrollbehörde nicht nur schwerwiegende Probleme bei ihrer Aufpasser–Rolle ein, sondern auch den längere Zeit „nicht bekannten Verbleib“ von 188 „signifikanten Mengen“ an spaltbarem Material, die 1985 in verschiedenen Ländern von einer Atomanlage zur anderen gekarrt worden seien. Erst Ende 1986 habe man die verschlungenen Wege des sensiblen Materials rekonstruieren können. Doch schon im März 87 fehlten der IAEO laut Spiegel erneut 70 Atombomben–Äquivalente in ihren Kontrollbüchern. Diesmal aus 86. Ein Äquivalent entspricht acht Kilo Plutonium oder 25 Kilo angereichertes Uran 235. Der Physiker Helmut Hirsch von der Gruppe Ökologie Hannover kritisiert darüber hinaus die Praxis der Kontrollen durch die IAEO–Kontrolleure. Bei der Mehrzahl der 147 Atomanalagen, die mit Photo– und Videokameras überwacht werden, könne die IAEO überhaupt nicht feststellen, ob spaltbares Material abgezweigt werde, weil die Beleuchtung in den Bunker–Anlagen völlig unzureichend sei. Dazu der IAEO–Bericht: „Derzeit ist nicht absehbar, wann dieses Problem (der Beleuchtung) gelöst wird.“ Insgesamt nehme der Arbeitsdruck ständig zu. Bei weltweit 910 Anlagen, die von Wien kontrolliert werden, seien die 250 Beamten völlig überfordert. Zu sechs atomaren Großanlagen habe die IAEO darüber hinaus noch immer keinen Zutritt, weil die entsprechenden Verträge noch nicht abgeschlossen seien. Nach dem geheimen Tätigkeitsbericht hat die Kontrollbehörde nur bei jeder fünften von ihr inspizierten Atomanlage ihre Arbeit zufriedenstellend erledigt. Und je größer das Atomprogramm eines Landes sei, desto öfter tappten die Safeguards der IAEO im Dunkeln. Letzter Pferdefuß, den der Spiegel“ entdeckte: Anlagen, die stillgelegt seien oder die laut Regierung kein spaltbares Material enthalten, werden auch nicht kontrolliert. In einer Stellungnahme zu den Spiegel–Vorwürfen hat die IAEO gestern „Probleme“ bei ihrer Kontrollarbeit zugegeben. Allerdings sei kein spaltbares Material verschwunden. Zu den „Problemen“ gehöre, daß die Betreiber der Atomanlagen Ort und Zeitpunkt der Inspektion selbst bestimmen. -man–