AIDS – Mit viel Kalkül zur Hysterie

■ Der schwedische Arzt und neue AIDS-Berater der bayerischen Staatsregierung, Micheal G. Koch, hat ein „Standardwerk“ vorgelegt / Als virologischer Frontberichterstatter im Kampf gegen die Seuche / Umfangreiche Datensammlung und harte Agitation in einem bunten Eintopf / Eine Rezension von Christoph Zink

Wenn schon wieder ein Buch zum Thema „AIDS“ erscheint, und wenn es dann noch als „Standardwerk“ gelobt wird, lohnt es sich, genau hinzusehen. Kaum ein Thema ist wissenschaftlich so komplex und medizinisch so schwer verständlich wie die AIDS-Epidemie und gleichzeitig für eine wachsende Anzahl von Menschen so existentiell bedrohlich. Aber kaum ein zweites Problem verkörpert auch so ausgeprägt die Gefahr, durch Fehlurteile, Angstreaktionen, Kurzsichtigkeit oder aus politischem Kalkül den Schaden noch größer zu machen, als er ohnehin zweifellos sein wird.

Über AIDS kann heute niemand mehr „neutral“ berichten. Einerseits ist die Fülle der Fakten zu groß geworden, man muß auswählen und wertet damit in jedem Fall. Andererseits sind die menschlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen der Krankheit zu offensichtlich: Wer immer heute von AIDS spricht, muß sich auch mit dem Verdacht auseinandersetzen, er benutze die Katastrophe als Vehikel, um seine Mitmenschen endlich dazu zu bewegen sich anders zu verhalten, als diese es gerne möchten. Wer heute ein Buch zu AIDS verfaßt, muß sich daher zu seinen Motiven befragen lassen.

Es ist verdienstvoll, wenn man wie MG Koch als Landarzt in der Idylle der mittelschwedischen Provinz hellhörig und phantasiebegabt genug ist, um früh die zunächst kaum erkennbare Gefahr zu ahnen, sich konsequent Wissen um die neuartige Krankheit anzueignen und schließlich Vorschläge zu ihrer Bekämpfung zu entwickeln. Wenn nun aber so ein fleißiger Autodidakt zum AIDS- Berater ausgerechnet der bayerischen Staatsregierung mit sechsstelligen Bezügen avanciert, wird in Umrissen vorstellbar, welche Art Vorschläge das Nachdenken erbracht hat und was also den Leser seines Buchs auf fast 300 Seiten erwartet.

Obwohl Koch mit großer Sorgfalt alle einschlägigen Quellen ausgewertet hat und Fakten in Fülle bietet, wird im Ergebnis daraus keine Faktensammlung, sondern ein bunter Eintopf aus Virologie und Immunologie, AIDS- Geschichten, die das Leben schrieb und die Koch wie Arztromane ausgestaltet, vermischt mit härtester politischer Agitation. Dem Autor ist so zwar die vollständigste Sammlung des derzeitigen Wissensstandes gelungen, er präsentiert aber auch die wohl tendenziöseste und polemischste Propagandaschrift, die wir hierzulande zum Thema AIDS bisher – vom bekannten „Nachrichtenmagazin“ einmal abgesehen – zu verdauen hatten.

Dabei bleibt völlig offen, für wen Koch sein Buch eigentlich verfaßt hat: Besondere wissenschaftliche Vorkenntnisse setzt er nicht voraus, auch Theologen und Staatssekretäre werden mühelos folgen können. Sein Stil gleicht dem eines virologischen Frontberichterstatters, der von „teuflisch geschickten“ Manövern seiner Viren zu berichten weiß, von „hilflosen“ Bakterien, von T- Lymphozyten, die sich nur „einbilden“, Viren zu jagen, und der mit Analogien nicht zimperlich umgeht: „...Wie ein Astronaut, der wieder in die Erdatmosphäre eingetreten ist, legt das Virus nach und nach seine Hüllen ab ...“ Aus wissenschaftlicher Sachinformation wird so unmerklich der Roman vom Angriff eines unheimlichen Feindes, der immer neue Siege verbucht und den – außer Koch – fast alle unterschätzen. Nicht der Verstand, sondern die Gefühle des Lesers sind Ziel der Agitation.

Das Kapitel zur medizinischen Seite der Erkrankung setzt nach: Da werden einerseits Schicksale exemplarischer AIDS-Patienten im Illustriertenstil ausgebreitet, andererseits werden medizinische Dokumentarphotos vorgestellt. Dr. Koch ist Arzt, und es sollte ihm keiner sagen müssen, daß es unter Ärzten gemeinhin als unethisch gilt, Photos kranker Menschen ohne sachliche Rechtfertigung zu publizieren. Es ist ein Skandal, wenn jemand es nötig findet, die zum Skelett abgemagerte Leiche eines (Koch betont: homosexuellen) jungen Mannes zu veröffentlichen, nur um zu beweisen, wie schlimm AIDS-Kranke an Gewicht verlieren. Solche Bilder gehören in seltenen Fällen in Krankenakten. Zur Sachinformation tragen sie nichts bei, sie sind im Gegenteil voyeuristisch und pornographisch im eigentlichen Wortsinn. Dem Leser wird vermittelt, daß jeder noch so harmlose Pickel auch ein Kaposi-Sarkom werden könnte und daß Menschen an AIDS ganz grauenhaft zugrunde gehen. – Das zu verdeutlichen, braucht aber nur dann über 100 Farbbilder, wenn es darum geht, die erzeugte Furcht auch weitergehend zu nutzen!

Das Szenario aus „teuflischen“ Viren, „hilflosen“ Zellen und schrecklich verunstalteten Sterbenden bereitet den Boden für den Hauptteil des Werkes: die Beschreibung der Ausbreitung der Seuche und MG Kochs Folgerungen hinsichtlich ihrer Bekämpfung.

Koch wählt hierfür ein ebenso bewährtes wie simples Verfahren: Er untersucht die vergangene Entwicklung möglichst genau, um aus diesem Material zukünftiges zu prognostizieren. Weil dies in der Praxis bei komplexen Problemen, an deren Zustandekommen viele verschiedene Faktoren beteiligt sind, nicht einfach zu bewerkstelligen ist, verwendet man Computerprogramme. Solche Programme sind zum Verständnis aktueller Entwicklungen sicherlich sinnvoll, wenn man dabei zweierlei nicht übersieht:

Erstens „versteht“ auch das beste Programm komplexe Zusammenhänge immer nur so weit, wie sie zuvor ein Mensch verstanden hat. Falsche Interpretationen der Vergangenheit führen so notwendig zu falschen Prognosen, denn der Forscher wählt unter den vielen denkbaren Daten zur Beschreibung der Vergangenheit immer diejenigen aus, die er subjektiv für die Beschreibung der Wirklichkeit für wichtig hält. Die entstehende Zukunftsperspektive ist also zunächst nichts als die Verlängerung der subjektiven Sicht des Forschers in die Zukunft.

Zweitens gelten Computersimulationen zukünftiger Entwicklungen immer nur dann, wenn alle das Ergebnis bestimmenden Faktoren bereits heute bekannt sind und wenn sich an sämtlichen übrigen Bedingungen nichts (gar nichts!) ändert.

Doch gerade bei AIDS besteht nach wie vor große Unklarheit über eine Vielzahl von Bedingungen der Weitergabe der Infektion, der Entwicklung zum klinischen Vollbild, der Bedeutung unterschiedlicher Typen des AIDS-Virus usw. Koch ist trotzdem wenig zurückhaltend: Er sagt nicht nur die Zukunft vorher, sondern leitet aus seiner Analyse der Zusammenhänge eine Vielzahl von Forderungen zur Eindämmung der Gefahr ab, deren Berechtigung und – vor allem – deren Wirksamkeit er dann in einem Simula tionsmodell „beweist“. Der „Künder des Unheils“ wird so unversehens zum Spezialisten für alle Lösungswege.

Wahrscheinlich sind die düsteren Zahlen, die MG Koch prognostiziert, nicht erheblich übertrieben: Es ist wohl kaum möglich, bei AIDS zu übertreiben. Koch verwendet diese Prognosen jedoch sofort, um dem Leser seine höchst subjektive Interpretation der Ereignisse und seine Abwehrpläne plausibel zu machen.

Gerade angesichts der bayerischen Alleingänge in der AIDS- Bekämfpung lohnt es sich, einige der Grundannahmen und Grundforderungen von MG Koch etwas genauer zu betrachten.

These 1: Der vermeintliche Konflikt zwischen Individuen und Staat ist im Kern ein Konflikt zwischen infizierten und nicht- infizierten Individuen.

Die Welt des Dr. Koch besteht aus zwei Hälften: einer Hälfte, die das Virus hat und einer, die es nicht hat. Das ist zunächst ja auch nicht falsch, und wir werden alles daran setzen, daß sich die Hälfte der Infizierten möglichst langsam oder gar nicht mehr vergrößert. Diese halbe heile Welt hat aber eben den Schönheitsfehler, daß man sie praktisch nicht bestimmen kann: Kein Test der Welt erlaubt mit hinreichender Sicherheit, Menschen der einen oder anderen Hälfte zuzuordnen, jeder weiß das, und gerade MG Koch zählt vielfältige Beispiele dafür auf, wie unsicher die Beurteilung eines einzelnen Menschen sein kann. Da eine Einteilung der Menschen in Infizierte und Nicht-Infizierte aber nur dann einen Sinn macht, wenn Fehler weitgehend ausgeschlossen sind, ist es erforderlich, stattdessen allen Menschen zu vermitteln, daß AIDS eine konkrete Gefahr für jeden darstellt und also jeder – soweit er sich den bekannten Infektionsrisiken aussetzt – für seinen indivuduellen Schutz selbst verantwortlich ist.

Im Maßnahmenkatalog von MG Koch schlägt sich diese einfache Erkenntnis nicht nieder, im Gegenteil: Er pflegt das Bild der heilen halben Welt, die gegen Übergriffe von der kranken Seite dadurch zu schützen sei, daß man möglichst viele Menschen dingfest macht, die dort das heile Bild stören könnten. Zwar wird in der deutschen Ausgabe – im Gegensatz zum schwedischen Original – nicht mehr zwischen „unschuldigen Opfern“ (Bluterkranken und Transfusionsempfängern) und anderen Infizierten (homosexuellen Männern, Prostituierten und Drogenabhängigen) unterschieden; aber das bestimmende Moment in Kochs Maßnahmenkatalog bleibt der Versuch, statt der Krankheit selbst ihre Opfer zu bekämpfen und in z. T. abenteuerlichen Argumentationsketten darzulegen, daß die Infizierten im Zweifelsfall „Täter“ und die Nicht-Infizierten also die potentiellen Opfer seien. Logischerweise enthält das Werk keinerlei Ideen oder Vorschläge zur Rehabilitation oder langdauernden Betreuung von Erkrankten. Auch das ist einerseits medizinisch unethisch, andererseits politisch Teil der schlimmen Welt des MG Koch.

Stattdessen präsentiert er geistlose Wahrheiten wie diese: „Die Interessen der Heterosexuellen, nicht infiziert zu werden, sind völlig legitim.“ Es folgt natürlich, wenn erst einmal alle Infizierten registriert seien, sei Ruhe im Land: „Meldepflicht ist ... unvermeidbar und sollte schleunigst eingeführt werden.“ Und wer dann noch nicht begriffen hat, daß für MG Koch der Kampf gegen AIDS vor allem im Kampf gegen die Infiztierten besteht, der erfährt noch einmal im Klartext: „Ein ... Infizierter muß wissen, daß er bei Bedarf auffindbar ist.“

Juristisch ist die Frage der Verantwortlichkeit bei der Übertragung von AIDS zwar wohl derzeit im Sinn von MG Koch entschieden. Unter Aspekten der Seuchenbekämpfung ist es aber geradezu schwachsinnig, den nicht-infizierten Menschen durch die Verfolgung von Infizierten klarzumachen, daß nicht sie selbst für ihren Schutz verantwortlich sind, sondern die Infizierten.

Man kann es drehen, wie man will: Aus der Jagd nach Infizierten wird keine erfolgreiche Abwehrmaßnahme. Im Gegenteil: Solange die Fiktion des (bei negativem Antikörperbefund) risikolosen Geschlechtsverkehrs aufrecht erhalten wird, solange werden wir die Zahlen der AIDS-Opfer erbarmungslos weiter steigen sehen. Die Konstruktion eines „Konflikts zwischen Infizierten und Nicht-Infizierten“ erscheint deshalb als ein gigantisches Ablenkungsmanöver, das sich auf die Dauer vor allem bei denen rächen wird, die wie Koch glauben, durch massenhaftes Registrieren von Infzierten ihr eigenes Sexualverhalten nicht in Frage stellen zu müssen. Das ganze Buch handelt im Grunde durchgängig von Sexualität und sexuellem Verhalten. MG Koch gelingt es dennoch nicht, über dieses Thema konkret zu sprechen.

In Wahrheit muß gerade angesichts von AIDS mehr denn je über Sexualität geredet werden. Es muß klar werden, gerade unter Nicht-Infizierten, daß es verschiedene risikoreiche Formen sexueller Begegnung gibt. Es muß klar werden, daß es vorbei ist mit dem Recht auf den risikolosen Umgang mit Prostituierten ohne Präservativ, daß es kein Recht mehr gibt auf risikofreien Gelegenheitssex im Büro oder im Urlaub. Wer immer sich heute sexuell betätigt und dies mit mehr als einem exklusiven Partner tut, wird dafür sorgen müssen, daß er seine eigene Gefährdung minimiert. Daß dies durch konsequente Veränderungen der sexuellen Gewohnheiten möglich ist und zur Eindämmung der Seuche führen wird, steht außer Zweifel.Wenn Koch dennoch diese einfache Wahrheit nicht gelten läßt, hat das zumindest zwei offensichtliche Gründe: Zum einen ist es viel bequemer, der (noch) großen Gruppe der Nicht-Infzierten mitzuteilen, daß die Infizierten zukünftig bestens kontrolliert werden. Das vermeidet nicht nur Unruhe im Land, sondern konzentriert möglichen Volkszorn geschickt auf soziale Gruppen, die sich hierfür immer schon gut geeignet haben. Zum anderen vermeidet man dadurch aber auch, über Sexualität im Detail und konstruktiv reden zu müssen. Man behandelt die Sexualität der Nicht- Infizierten – wie eh und je – als Tabuthema und klammert sie aus; man behandelt aber gleichzeitig die Sexualität der Infizierten – soweit es sich um Homosexuelle und Prostituierte handelt, ebenfalls wie eh und je – als kriminellen Tatbestand.

These 2: Das Ausbreitungstempo des Virus ist direkt korreliert mit Promiskuität

Diese Beobachtung ist sicher nicht falsch: Wer häufig seine Partner wechselt, hat größere Chancen, sich anzustecken. Für Koch folgt daraus, daß es vor allem darauf ankäme, die Menschen zu „partnerschaftlicher Treue“ zu ermahnen. Er schafft damit eine fiktive Zweiteilung der Welt in „Treue“ und „Promiske“, wobei Ratschläge wiederum ausschließlich derjenigen Hälfte erteilt werden, die sich „abweichend“ verhält.

Der Ruf nach partnerschaftlicher Treue ist mindestens so alt wie die Monogamie in unserer Kultur, und mindestens ebenso lange halten sich die Menschen nur sehr begrenzt daran. Unter seuchen-hygienischen Aspekten ist es nun aber zumindest höchst bedenklich, etwas zu fordern, das nachweisbar häufig nicht erbracht wird.

Auch hier lenkt MG Koch also vom Thema ab: Statt klipp und klar zu sagen, daß es für die Verbreitung von AIDS nicht darauf ankommt, wie oft ein Partner gewechselt wird (Welche obere Grenze wäre denn wohl auch zu empfehlen?), sondern daß alles davon abhängt, welche Art sexueller Begegnungen man hat, wird erneut der Eindruck erweckt, es gäbe eine „normale“, ungefährliche und eine abnorme, verwerfliche und gefährliche Sexualität, die es zu beseitigen gilt.

Wer die Häufigkeit des Partnerwechsels zum Hauptthema der Prävention macht und in der Schließung von Sexclubs und dem Verbot der Prostitution einen wertvollen Beitrag zur Bekämpfung von AIDS sieht, der will und kann an der weiteren Ausbreitung von AIDS nichts ändern. Er will nicht, denn er müßte wissen, daß sich die Menschen an derlei Vorschläge noch niemals gehalten haben und daß jeder glaubt, seine eigene Sexualität sei gerade noch nicht „promisk“. Und er kann nichts ändern, weil der „Motor“ der Verbreitung letzten Endes nicht die Häufigkeit, sondern die Art sexueller Kontakte ist.

These 3: Es gibt eine unheilige Allianz zwischen Drogenhandel, Showbusiness und pornographischer Industrie...

Man würde eine solche Analyse im Zusammenhang mit AIDS eigentlich eher einem amerikanischen Fernsehprediger zutrauen als einem sonst ganz ernsthaften Wissenschaftler. Aber es hat schon Methode, wenn der Kampf gegen ein Virus zu einem Kreuzzug gegen die Unmoral schlechthin umfunktioniert wird. In der schwedischen Ausgabe seines Buches findet sich ein ganzseitiges Photo von Nina Hagen, das den deutschen Lesern sicherheitshalber erspart blieb. Die Bildunterschrift informiert, daß die Abgebildete berühmt sei „für ihr überraschendes Onanieren im deutschen Farbfernsehen“. – Die deutsche Ausgabe berichtet stattdessen vom Verfall abendländischer Kultur durch Menschen wie Niki de St. Phalle und ihre „nanas“ oder durch Otto Mühl und seine Schmuddel-Kunst, nennt Heavy- Metal-Gruppen als Grund für den wachsenden Drogenkonsum Jugendlicher und damit auch für die Verbreitung von AIDS durch blutspendende Fixer.

Spätestens beim Thema Pornographie wird klar, daß es Koch nicht eigentlich um AIDS geht, sondern daß die Bekämpfung von AIDS den Rahmen dafür bildet, sich endgültig in Dinge einzumischen, die gemeinhin als „Privatangelegenheiten“ betrachtet werden. Gerade im Hinblick auf die Übertragung von Viren gibt es ja wohl kaum eine risikoärmere Tätigkeit als das Betrachten von Bildern mit sexuellen Inhalten. Auch die Nina Hagen angelastete Masturbation ist in diesem Sinn äußerst unproblematisch. Auch hier ist der Hauptansatzpunkt von MG Koch also die – seuchenhygienisch völlig ungerechtfertigte – Einmischung in das Leben einer als fremd empfundenen Bevölkerungsgruppe und in die Verhaltensweisen einzelner Menschen.

Das Schreckenspanorama des MG Koch dient letztendlich als Hintergrund für die Aufteilung der Welt in eine konforme und eine abweichende Hälfte. Da offenbar keine dieser Aufteilungen geeignet ist, die Ausbreitung der Infektion zu stoppen, muß das Engagement des Autors anders motiviert sein. Es geht ganz deutlich darum, Schuld zuzuweisen: Gruppen und Menschen zu benennen, denen die Last der Verantwortung aufgebürdet werden kann. Aber das Prinzip des Sündenbocks wirkt auf Viren wenig überzeugend. Solange nicht begriffen wird, daß sich die Strategie der Hexenjagd zur Seuchenbekämpfung nicht eignet, werden wir – geführt von Fachleuten wie Dr. Koch – weiter in die Katastrophe rennen.

Christoph Zink ist Arzt und Epidemiologe und Herausgeber eines medizinischen Nachschlagewerkes