Freisprüche für BlockiererInnen

■ 30 Urteile des Amtsgerichts Simmern wegen Sitzblockaden in Hasselbach aufgehoben / Richter kritisiert OLG Koblenz

Von Wolfgang Bartels

Bad Kreuznach (taz) - Freisprüche vom Fließband gab es am Montag beim Landgericht Bad Kreuznach. In 30 Fällen wurden Urteile des Amtsgerichts Simmern gegen TeilnehmerInnen von Blockade–Aktionen aufgehoben. Die Betreffenden hatten sich im November 1986 an Sitzblockaden vor der Marschflugkörperstellung Hasselbach beteiligt und waren von Amtsrichter Göttgen wegen „gewaltsamer und verwerflicher Nötigung“ fließbandmäßig zu Geldstrafen von jeweils 30 Tagessätzen, also einem Monatseinkommen, verurteilt worden. 19 BlockiererInnen wurden vom Vorwurf der Nötigung völlig freigesprochen. Das Gericht erklärte, ihre kurzfristige und begrenzte Aktion sei ein Mittel gewesen, erhöhte Aufmerksamkeit für die Problematik der Raketenstationierung zu erreichen. Sieben BlockiererInnen hatten die Berufung von vornherein auf die Höhe des Strafmaßes beschränkt, weil bekannt ist, daß die Staatsanwaltschaft bei Freisprüchen ohnehin in die Revision geht und beim Oberlandesgericht doch wieder verurteilt wird. Diese Angeklagten wurden zur Mindeststrafe von fünf Tagessätzen verurteilt. In vier Fällen hatten Angeklagte mit einer Abschluß–Blockade Fahrzeugführer zum wiederholten Anhalten veranlaßt. Hier sah das Gericht den Rahmen einer „wohlabgewogenen und begrenzten“ Demonstration als überschritten an. In diesen Fällen wurden die BlockiererInnen zu zehn Tagessätzen und einem Fünftel der Gerichtskosten verurteilt. Während des Prozesses monierte der Vorsitzende Richter Hartmut von Tzschoppe einen roten Aufkleber „Politische Strafsache“ auf den Akten: „Ich kenne nur kriminelle Strafsachen, aber keine politischen. Das gibt es nicht im Strafgesetzbuch.“ Kleinlaut mußte daraufhin der Staatsanwalt einräumen, er wisse auch nicht, wie der Aufkleber auf die Akten gekommen sei. In seiner mündlichen Urteilsbegründung kritisierte von Tzschoppe scharf das Oberlandesgericht Koblenz, das mehrfach die Bad Kreuznacher Freisprüche wieder aufgehoben hat: Koblenz ignoriere die Rechtsprechung vieler Obergerichte und sogar des Bundesverfassungsgerichtes.