Der dreifache „Blackout“ von Minister Weimar

Hessens Umweltminister Weimar muß sich vor dem Landtag korrigieren Regierungschef Wallmann setzt jetzt wieder auf die Atomenergie  ■ Von K.-P.Klingelschmitt

Wiesbaden (taz) – In einer heftigen Atomdebatte im hessischen Landtag mußte der Wiesbadener Umweltminister Weimar gestern frühere Aussagen zu seinem Informationsstand in Sachen NUKEM korrigieren. Gleichzeitig trat Weimar eine wortradikale Flucht nach vorne an. Im Verlauf der Debatte mußte sich der CDU- Minister vom Grünen Joschka Fischer in pointierter Rede demontieren lassen. Der hessische Ministerpräsident Walter Wallmann stellte hingegen wieder klar, daß die Landesregierung an der sogenannten friedlichen Nutzung der Atomenergie festzuhalten gedenkt.

Umweltminister Weimar mußte seine Aussage vom 14.1.88 vor den Landtagsausschüssen für Umwelt und Recht korrigieren. Dort hatte er wiederholt erklärt, bereits am 23.12.87 von den wiederaufgetauchten 50 NUKEM-Fässern und ihrem brisanten Inhalt Kenntnis gehabt zu haben. Weimar damals wörtlich: „Es ist so, daß aus den Proben, die wir am 23.12. übergeben bekommen haben, sich ergibt, daß teilweise die Proben darauf hinweisen, daß Kernbrennstoffcharakter vorliegt.“ Da der hessische Umweltminister den Ministerpräsidenten, die Staatsanwaltschaft und Bundesumweltminister Töpfer aber erst in den Morgenstunden des 14.1.87 über diesen Sachverhalt unterrichtete, stand Weimar in der letzten Woche unter verstärktem Beschuß der Oppositionsparteien.

Der Hauptvorwurf: „Weimar hat Töpfer im Regen stehen lassen“ (Fischer). Gestern nun korrigierte der Minister seine Aussagen vor den Ausschüssen. Aufgrund der Arbeitsbelastung und der „Vielzahl von Informationen, die auf uns einstürzten“, habe er sich erst am 13.1.88 – nach Schluß der Sit zung des zuständigen Bundestagsausschusses – abschließend informieren können. Sofort danach habe er wegen der Bedeutung der Sache den Ministerpräsidenten telefonisch verständigt. Weimar korrigierte vor dem Landtag auch seine Aussage, daß die Proben aus den Fässern den Nachweis erbracht hätten, daß es sich um Chargen mit „Kernbrennstoffcharakter“ gehandelt habe. Der Cäsium 137 und Cobalt 60-Anteil in den Fässern, die noch immer auf dem Gelände der Transnuklear stehen, liege „unter den zulässigen Grenzwerten“.

Joschka Fischer attestierte dem Minister daraufhin einen „dreifachen blackout“. Immerhin habe der NUKEM/Transnuklear- Skandal „für alle sichtbar“ offengelegt, daß keine ordnungsgemäße Entsorgung von Atommüll und von abgebrannten Brennelementen möglich sei. Höflich bedankte sich Fischer bei Ministerpräsident Wallmann dafür, daß er – in bezug auf die vermutete Proliferation – vor dem Landtagsausschuß am 14.1.88 – den „Schleier vor dem Verschiebebahnhof der Atommafia weggezogen“ habe. Nach den Einlassungen des Journalisten Kassing, der den hessischen Umweltminister nur auf die Möglichkeit der Weitergabe waffenfähigen Materials aufmerksam gemacht haben will, müsse man sich jetzt allerdings die Frage stellen, ob Wallmann nicht noch mehr wisse.

Ministerpräsident Walter Wallmann selbst fand – nach dem ersten, öffentlich geäußerten Entsetzen über die Möglichkeit der Proliferation – vor dem Landtag wieder zu alter Form zurück. Zwar müsse der NUKEM/Transnuklear-Skandal „lückenlos und umfassend“ aufgeklärt werden, doch wer auf dem Rücken dieser „unglaublichen Vorgänge“ jetzt den Ausstieg aus der Atomenergie propagiere, verschweige, daß alle bekannten Energiegewinnungsformen Risiken bergen würden. Ausdrücklich begrüßte er, daß jetzt die „zuverlässige hessische Firma“ Degussa die Atomfabrik NUKEM in ihre „unternehmerische Obhut“ genommen hat.