Gebremst gegen Mafia

■ Nicht der erfolgreichste Mafia-Fahnder Falcone wird oberster Ermittlungsrichter in Palermo, sondern die graue Maus Meli

Rom (taz) – Mit einem Schildbürgerstreich ohnegleichen hat Italiens Justiz beschlossen, nicht dem „Kraken“, der Mafia in Palermo sondern sich selbst ein Stück abzuhacken.

Kaum eine Woche nach den tödlichen Attentaten auf einen reformwilligen Ex-Bürgermeister und einen Polizeiagenten hievte der Oberste Richterrat nicht den bisher erfolgreichsten Antimafia- Fahnder Giovanni Falcone auf den freigewordenen Stuhl des Obersten Ermittlungsrichters in Palermo, sondern zog ihm eine graue Maus namens Antonio Meli ohne jegliche Erfahrung im Kampf gegen die Mafia vor. Meli stand bisher als Gerichtspräsident dem Tribunale von Caltanissetta in Innersizilien vor – ein Gericht, dessen Urteile sich vor allem dadurch auszeichneten, daß sie in der Regel wegen schwerer Formverstöße aufgehoben werden mußten.

Der 45jährige Giovanni Falcone wird wohl um seine Versetzung nachsuchen. In der Tat ist es schwer vorstellbar, daß er seine Arbeit unter einem völlig unerfahrenen Vorgesetzten weiterführen kann, dessen einziges Verdienst laut Beschluß des Richterrates darin besteht, daß er mehr Dienstjahre aufweisen kann als Falcone. Das italienische Parlament wird nach dem Ausbruch des neuen „Mafiakrieges“ in Palermo eine Untersuchungskommission einsetzen, die nach amerikanischem Muster auch juristische Gewalt haben soll: sie kann ohne Einschaltung der Gerichte Haussuchungen und Beschlagnahmungen durchführen, sowie aussageunwillige Zeugen verhaften lassen. Der Schritt des Parlaments soll die immer massivere öffentliche Kritik abfangen, die römischen Machthaber hätten in den letzten Monaten eine besondere Gleichgültigkeit gegenüber der Kriminalität in Sizilien gezeigt.

Wenn der vorgesehene Fahrplan eingehalten wird, soll die neue Kommission ihre auf drei Jahre angelegte Arbeit bereits im kommenden Monat aufnehmen. Werner Raith