SPD-Krach um die Atomfracht

Lübecker Sozis hätten früher etwas gegen Transporte unternehmen können / Transporte jetzt über Brunsbüttel  ■ Aus Lübeck Axel Kintzinger

Die Auseinandersetzung um Atomtransporte über den Lübecker Hafen hat in der dortigen SPD zu einem heftigen Konflikt geführt. Obwohl Bürgermeisterin Sabine Bauer und Innensenator Egon Hilpert (beide SPD) sich öffentlich gegen die Transporte aussprechen und sogar an der am Donnerstag noch andauernden Blockade vor einer Bundesgrenzschutzkaserne teilnahmen, geraten sie parteiintern unter Beschuß. Der Grund: besonders Bürgermeisterin Bauer hatte es als Aufsichtsratsmitglied der Lübecker Hafengesellschaft (LHG) versäumt, einen von der Bürgerschaft, dem Rat der Stadt, verabschiedeten Beschluß umzusetzen, keine nukleare Fracht mehr umschlagen zu lassen. Lübeck hat die Hälfte des LHG-Aufsichtsrates inne, die restlichen Vertreter stellt der Bund.

Nach Einschätzung des schleswig-holsteinischen Vorsitzenden der sozialdemokratischen Juristen (ASJ) und Mitglied des Lübecker SPD-Kreisvorstandes, Wolfgang Neskovic, hätte der Lübecker Senat schon vor Jahren „zumindest vorübergehend ein außerordentliches Leistungsverweigerungsrecht in Anspruch nehmen“ können, um das Umschlagen von nuklearer Fracht damit zu stoppen. Das habe der Senat, in dem die SPD die Mehrheit hat, jedoch nicht einmal versucht. Neskovic kündigte für die heutige Kreisvorstandssitzung „großen Krach“ an – bereits vor zwei Wochen wurde Bauer der Rücktritt nahegelegt. Die Lübecker SPD- Fraktion unter Vorsitz von Bauer lehnte dieses Ansinnen damals noch ab.

Was die Parteilinke und auch die Lübecker Grünen besonders ärgert: Noch nach dem entscheidenden Bürgerschaftsbeschluß im Mai 1986 habe die Stadt Angebote an AKW-Betreiberfirmen geschickt. Eine Verfügung gegen die Transporte vom September letzten Jahres mußte dann, so meinen sie, zwangsläufig vor den Verwaltungsgerichten scheitern.