Der Kreuzzug des David Alton gegen die Abtreibung

Eine am Freitag vom Unterhaus akzeptierte Gesetzesvorlage zur Einschränkung der Fristenlösung könnte in Großbritannien die Umkehrung der Abtreibungsgesetzgebung einleiten / Vorkämpfer ist der liberale Abgeordnete David Alton mit Zähigkeit und überlegter Werbestrategie  ■ Aus London Rolf Paasch

Eigentlich ist David Alton ein radikaler Liberaler. Nur wenn es um ein Thema geht, dann schlägt die Haltung des katholischen Abgeordneten der Liberalen Partei Großbritanniens in einen überraschenden Fundamentalismus um: David Alton ist auf dem Kreuzzug zur Rettung des Fötus. Nach außen hin gibt er sich in seinen Bemühungen zu einer Verkürzung der legalen Abtreibungsfristen von bisher 28 auf 18 Wochen jedoch kompromißbereit; solange jedenfalls, wie dies seinem Ziel dient; der Abschaffung des gegenwärtigen Abtreibungsgesetzes, jenem für David Alton so fürchterlichen Produkt liberaler Gesetzgebung aus dem Jahre 1967.

Mit Alton hatte die lautstarke aber politisch bisher recht glücklose britische Anti-Abtreibungslobby endlich ihren Champion gefunden. Doch der clevere Junggeselle stellte der Anti-Abtreibungslobby harte Vorbedingungen: keine zu sensationsheischende Anti-Abtreibungspropaganda, damit die moderaten Unterstützer seines Gesetzentwurfes nicht verprellt würden. Die Verschickung von farbenprächtigen Föten-Fotos als Werbepostkarten für das Leben sollte die äußerste Form der Meinungsmanipulation darstellen. Schließlich wollte der Volksvertreter aus Liverpool diesmal den Fehler seiner Vorgänger vermeiden, deren insgesamt 15 Revisionsversuche des Abtreibungsgesetzes immer wieder am Übereifer ihrer Befürworter gescheitert waren. Seine weitgreifende Strategie hatte Erfolg in der öffentlichen Debatte und unter den Abgeordneten, die seinem Gesetzesentwurf mit 296 zu 251 zustimmten. In Großbritannien wurden 1986 von 170.000 Abtreibungen 5.865 nach einer Frist von 18 Wochen durchgeführt, davon 1.100 wegen Mißbildungen des Fötus. David Alton will den Müttern mit seiner Vorlage nun selbst zur Austragung behinderter Föten zwingen, gibt aber zu, daß er diese Absicht im Verlauf der Gesetzesüberarbeitung wohl aufgeben muß. Um sein Vorhaben am Frei tag nicht gleich bei der 2.Lesung zu gefährden, betonte er sogar seine Kompromißbereitschaft, notfalls auch einem Schwangerschaftsabbruch bis zur 24.Woche zuzustimmen. Ein solcher Kompromißentwurf hätte, zum Beispiel im Jahr 1986 angewandt, noch ganze 29 Schwangerschaften illegal gemacht.

Das makabre Feilschen über noch legale Abtreibungsfristen täuscht dabei über die eigentliche Stoßrichtung der Anti-Abtreibungslobby hinweg. Im Verlauf der Debatte um Altons Gesetzentwurf ist es den Abtreibungsgegnern gelungen, das allgemeine Unbehagen in der Bevölkerung über die in der Tat sehr weit gefaßte Fristenlösung in eine Grundsatzdiskussion über Abtreibung an sich umzuleiten. Vergeblich weisen die Gegner des Entwurfs darauf hin, daß eine Verbesserung der oft skandalösen Zustände im staatlichen Gesundheitsdienst, die häufig für eine Verzögerung von Schwangerschaftsdiagnose, –tests und Abtreibungstermin verantwortlich sind, mehr zu einer Humanisierung der Abtreibungspraktiken beitragen würden, als die jetzt vorgeschlagene Verschärfung der Fristenregelung.

Altons Gesetz würde in erster Linie die sozial Schwachen treffen. 42 Prozent der 1986 nach 18 Wochen vorgenommenen Abtreibungen betrafen zum Eingriff nach Großbritannien gekommene Ausländerinnen, über ein Drittel der Frauen waren jünger als 20. Ein großer Anteil der betroffenen Frauen rekrutiert sich aus der neuen Unterklasse von vernachlässigten Familien, verzweifelten Sozialfällen und geistig zurückgebliebenen jungen Müttern aus zerrütteten Familienverhältnissen. In welchem Ausmaß sich die öffentliche Debatte durch den Gesetzesentwurf des David Alton bereits verändert hat, beweist auch noch eine andere Tatsache. Kaum eine der AbtreibungbefürworterInnen hat es in den letzten Wochen gewagt, für eine positive Reform des Gesetzes von 1967 einzutreten. Denn wenn in Großbritannien wie in den USA und Schweden die Abtreibung auf Wunsch (und nicht erst nach der Konsultation zweier Ärzte, die „ein Risiko für die körperliche oder geistige Gesundheit der Frau“ attestieren müssen) gesetzlich verankert würde, könnte der Anteil der Abtreibungen nach 12 Wochen (der in den letzten 20 Jahren von 40 Prozent auf 13 Prozent gefallen ist) weiter verringert werden. Aber darum geht es David Alton und der Lobby für das Leben ja gar nicht. Für sie ist der Gesetzentwurf, der jetzt vor die Parlamentsausschüsse geht, erst der Anfang ihres Kampfes gegen das Recht auf Abtreibung.