NUKEM nach dem Sündenfall

■ Die Brennelementefabrik wollte schon 1969 den Atomwaffensperrvertrag brechen / Eingreifen von Euratom verhinderte damals Proliferation nach Argentinien / Kohl und die Sicherheit

Frankfurt (taz) – Die Initiativgruppe Umweltschutz Hanau machte jetzt auf einen Vorfall im Jahre 1969 aufmerksam, der auch beim sogenannten Proliferations- Hearing des hessischen Landtags 1984 zur Sprache kam. Auf diesem Hearing mußte der zur Zeit „beurlaubte“ NUKEM-Geschäftsführer Hackstein eingestehen, daß die Firma Ende der 60er Jahre 232 Kilogramm „natürliches Uranoxyd“ an die Asmara Chemie in Hettenhain/Taunus verkauft hat, die allerdings nur als „Strohfirma“ fungierte. Das Material sollte nach Argentinien weiterverschifft werden. Obgleich die Asmara-Chemie seinerzeit eingestehen mußte, über keine, nach dem Atomgesetz erforderliche Umgangsgenehmigung für das angeforderte, im Bereich der „Waffentauglichkeit“ angesie delte Uranoxyd zu verfügen, gab die NUKEM das Material frei.

Wie NUKEM-Geschäftsführer Hackstein auf dem Hearing versicherte, habe die Firma das Geschäft mit der Asmara-Chemie danach „ordnungsgemäß“ bei der damals zuständigen Euroatom- Versorgungsagentur in Brüssel angemeldet – allerdings erst Wochen nach dem „Deal“. Die europäische Atombehörde konnte gerade noch verhindern, daß das Material nach Argentinien verbracht wurde. Die Asmara-Chemie gab das Uranoxyd mit dem Hinweis an die NUKEM zurück, daß ihr Kunde „aufgrund der Geheimhaltung seines Know-How“ die Kontrolle durch die Euratom ablehne.

Köln/Frankfurt (ap/dpa) – Kanzler Kohl bezweifelt, daß das derzeitige Sicherheitssystem bei der Nutzung der Atomenergie den psychologischen und tatsächlichen Anforderungen entspricht, die die Bürger heute an ein solches System stellen. In einem Interview bezog er diese Zweifel auch auf die Verwaltung, „etwa bei der Kontrolle von Transporten“.

Weitere Enthüllungen im Hanauer Atomskandal: Entgegen bisherigen Erkenntnissen wußten die Justizbehörden nach Angaben des Ministerpräsidenten Wallmann schon drei Tage vor der Landtagswahl am 5. April 1987 von einer Selbst-Anzeige des NUKEM-Gesellschafters Degussa wegen Veruntreuung von Firmengeldern. Wallmann widersprach damit einer Degussa-Mitteilung nach der die Firma erst am 7. April Strafanzeige gestellt habe. K.-P. Klingelschmitt