Der „Retter der Königin“ mehrt seine Macht

Nach der Ernennung von General Ramos zum philippinischen Verteidigungsminister wachsen Angst und Mißtrauen in Manila Oppositionelle befürchten zunehmende Militarisierung / Friedliche Lösung der tiefgreifenden Konflikte weiter erschwert  ■ Aus Manila Gebhard Körte

Nach der Ernennung des prominenten „Helden“ der Militärrevolte gegen Marcos, General Fidel Ramos, zum neuen philippinischen Verteidigungsminister taucht für einen Journalisten in Manila schnell ein ganz banales Alltagsproblem auf: sein Adreßbuch ist von Tag zu Tag weniger zu gebrauchen. Basisorganisationen, Menschenrechtsgruppen, Gewerkschaften und Bauernverbände ziehen ohne Ankündigung um, Kontaktpersonen und Pressesprecher geben kaum noch telefonische Auskünfte. Hat man nach stundenlanger Suche endlich die neue Anschrift aufgespürt, muß man verrammelte Tore und private Wachleute passieren. Zurückhaltende Mitarbeiter tauen erst auf, wenn man ein Empfehlungsschreiben vorlegt oder einer der Anwesenden durch persönliche Begrüßung Vertrauen signalisiert.

Mißtrauen und Angst, die spätestens seit der Ermordung des Generalsekretärs des linken Bündnisses „Bayan“, Lean Alejandro, bis in progressive kirchliche Kreise reichen, sind nach dem Rücktritt von Verteidigungsminister Rafael Ileto nicht geringer geworden.

Ramos, wie sein Vorgänger Absolvent der renommierten US- Militärakademie West Point, vertritt nach Auffassung der Linken einen militaristischen Ansatz. Ramos und Itelo unterscheiden sich nicht in ihrer Absicht, die Guerilla der linken „Neuen Volksarmee“ (NPA) zu zerschlagen, wohl aber in ihren strategischen und taktischen Überlegungen.

Beide halten eine Umorganisierung, Vereinheitlichung und Stärkung der Armee für grundlegende Voraussetzungen. Doch während Itelo keine politischen Ambitionen hatte, wird Ramos nachgesagt, er habe zur Absicherung sei ner Stellung die Kontroversen innerhalb der Armee noch vertieft, beispielsweise, wenn es um die Vergabe von Posten ging. Dies untergrub das Ziel, die Armee für den Kampf gegen die Guerilla zu einem einheitlichen Ganzen zusammenzuschweißen. Enorme Aufbesserungen des Budgets und eine 60prozentige Gehaltserhöhung quer durch die Ränge der Armee besänftigten die Ramos-Kritiker nur vorübergehend.

Präsidentin Corazon Aquino hat lange gezögert, ihm den einflußreichen Posten des Verteidigungsministers anzubieten. Im September letzten Jahres wollte sie ihn auf das Amt des Ministers für öffentliche Bauten und Straßenbau abschieben. Dies wies der General höflich, aber bestimmt zurück. Seine jetzt erfolgte Berufung zum Verteidigungsminister und die gleichzeitige Ernennung seines Günstlings Renato de Villa zum neuen Stabschef festigen Ramos Kontrolle über die Streitkräfte.

Bis zuletzt hatte sich Itelo verständnisvoller für die Motive der NPA gezeigt als Ramos, obschon er seinen Rücktritt mit einem zu wenig entschlossenen Vorgehen der Regierung gegen die Guerilla begründet hatte. Ein NPA-Sprecher kommentierte die Ernennung Ramos mit den Worten: „Als Resultat werden die gewalttätigen Attacken auf Volksorganisationen eskalieren und den Ruf der verhaßten Marcos-Diktatur übertreffen.“

Vor dem Hintergrund ausbleibender Erfolge im Kampf gegen die linke Guerilla hat Aquino sich jetzt zu einem schwerwiegenden Eingriff in den Militärapparat entschieden. Bis zum Frühjahr sollen 40 Generäle pensioniert werden. Kampferprobte Kommandeure sollen nachrücken und damit den Weg für die Beseitigung des Beförderungstaues freigemachen, der für erhebliche Unruhe im Offizierskorps gesorgt hatte. Dennoch scheint zweifelhaft, ob tiefsitzende Widersprüche innerhalb der Streitkräfte sowie zwischen Militär und Administration verringert werden können.

Mehrere Berater von Aquino, die eine neuerliche Möglichkeit von Gesprächen mit der Guerilla andeuteten, wurden vom Militärestablishment zurückgepfiffen. Weder Friedensangebot und Waffenstillstand, noch Zuckerbrot (Amnestie) und Peitsche (militärische Offensiven) konnten den Kampf zwischen Landlords und Pächtern, Unternehmern und Arbeitern bisher beenden.

Da nutzt es wenig, daß die Präsidentin am Donnerstag versprach, das im Kongreß schmorende Gesetz über die Landreform zu beschleunigen und die Hazienda im Besitz ihrer Familie gleich als Geschenk dazulegte.

Itelo verwies in seinem Rücktrittsschreiben auf die alarmierende Stärke der NPA-Guerilla. Kein ernstzunehmender Politiker wird dem widersprechen. Die einzige Alternative zu dem anhaltenden Blutvergießen auf bisher unerreichtem Niveau wären neue Verhandlungen mit der NPA, die grundlegende Reformen, eine Änderung in der Außen- und Wirtschaftspolitik und mittelfristig eine Machtbeteiligung fordert. Ein entsprechendes politisches Programm Aquinos würde jedoch zweifellos neue Putschversuche heraufbeschwören.

Schon seit Monaten drohen Großgrundbesitzer unverhüllt mit bewaffneter Rebellion, sollte das Landreformpaket in der vorliegenden Form verabschiedet werden. Die Präsidentin, die sich in den letzten Monaten einer neuen Gesprächsrunde mit der NPA nicht völlig verschlossen hatte, scheint zu martialischeren Positionen zurückzukehren, nachdem die NPA bei den Kommunalwahlen Geländegewinne verzeichnen konnte.

So umstritten Ramos im Militär bleiben mag, so populär ist er in der Bevölkerung als mehrfacher „Retter der Königin“. In der Presse wurde letzte Woche spekuliert, ob sein neuer Posten nur eine Durchgangsstation für größere Pläne für die geplanten Präsidentschaftswahlen 1992 ist. Schon einmal hat ein von den USA unterstützter Verteidigungsminister den Sprung an die Spitze geschafft. Es hieß Marcos.