Schäuble bestätigt Druck der Geiselnehmer

Kanzleramtsminister und damaliger Leiter des Krisenstabs erhärtet als Zeuge im Hamadi-Prozeß den Vorwurf der Nötigung der Bundesregierung durch die Entführer von Cordes und Schmidt / Keine Auslieferung Hamadis an die USA aus Sorge um deutsche Geiseln  ■ Von Johannes Nitschmann

Düsseldorf (taz) – Die Entscheidung der Bundesregierung, die Auslieferung des in Frankfurt einsitzenden mutmaßlichen Flug Jahres in Beirut gekidnappt worden waren. Schäuble sagte am Dienstag in dem Düsseldorfer Staatsschutz-Prozeß gegen Mohamads Bruder Abbas Hamadi als Zeuge aus, der Bonner Krisenstab habe in der Nichtauslieferung des Libanesen „letztlich das gerin gere Risiko für die beiden Deutschen gesehen“. Wenige Wochen nach dieser Entscheidung der Bundesregierung war Schmidt von seinen Geiselnehmern freigelassen worden, während sich Cordes noch immer in den Händen seiner Entführer befindet.

Dem vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht angeklagten Hamadi wird von der Bundesanwaltschaft zur Last gelegt, an der Entführung von Cordes und Schmidt beteiligt gewesen zu sein und die Bundesregierung in zahlreichen Schreiben zur Nichtauslieferung seines Bruders Mohamad „genötigt“ zu haben.

Fragen der Verteidigung nach weiteren Erkenntnissen aus dem Entführungsfall Cordes/ Schmidt, die den Angeklagten vielleicht entlasten könnten, beantwortete Schäuble unter Hinweis auf seine durch das Bundeskabinett eingeschränkte Aussagegenehmigung nicht. Ausdrücklich wies er die Behauptung der Verteidigung zurück, die Bonner Regierung habe nach der Geiselnahme im Libanon unter seinem Vorsitz einen Krisenstab gebildet: „Würden Sie den Arbeitsstab bitte als Arbeitsstab bezeichnen“, forderte der Kanzleramtsminister die beiden Rechtsanwälte in barschem Ton auf.

Im Rahmen der nur 36 Minuten dauernden Vernehmung wurden erstmals die vom Gericht verlesenen Entführer-Schreiben bekannt, die wegen der von der Bundesregierung verfügten Nachrichtensperre bislang geheim ge halten wurden. In allen drei Schreiben stellen die libanesischen Geiselnehmer der radikal- schiitischen Organisation Hisbollah (Partei Gottes) klar, daß sie keinerlei Anschläge auf deutschem Boden planten und die Bundesregierung wegen ihrer „neutralen Haltung“ im Libanon-Konflikt „nicht provozieren“ wollten. Sie strebten mit der Entführung von Cordes und Schmidt „so schnell wie möglich“ den Austausch von Mohamad Hamadi an, der nach den Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft über Fingerabdrücke als Entführer der 1985 gekidnappten TWA-Maschine überführt sein soll. Bei dieser Flugzeugentführung wurde der amerikanische Marinetaucher Robert Stethem erschossen, weshalb Mohamad Hamadi in den USA die Todesstrafe droht.

Zugleich wurde am siebten Verhandlungstag bekannt, daß sich die Verteidigung von Hamadi nach der Freilassung von Alfred Schmidt in einem Schreiben an Bundeskanzler Kohl gewandt hat. Zum Inhalt ihres „persönlichen Briefes“ an den Bundeskanzler lehnten die Rechtsanwälte jedoch beim gegenwärtigen Verfahrensstand jede Aussage ab.

Heute soll der mutmaßliche Flugzeugentführer Mohamad Hamadi in dem Prozeß gegen seinen Bruder aussagen. Aus Sicherheitsgründen wird er mit einem Hubschrauber aus der Frankfurter Haftanstalt in das streng abgesicherte Düsseldorfer Sondergerichtsgebäude eingeflogen.