: Bilanz der Volkszählung
■ Vor den Verwaltungsgerichten in Baden–Württemberg gingen 11.374 Klagen ein / In der Berufung waren bisher drei KlägerInnen erfolgreich
Aus Mannheim Rolf Gramm
Eine erste Bilanz der Volkszählung vor den baden–württembergischen Verwaltungsgerichten hat gestern der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) in Mannheim, Dr. Wolfgang Endemann, präsentiert. Insgesamt gingen 1987 bei den vier Verwaltungsgerichten in Baden–Württtemberg 71.374 Klagen im Zusammmenhang mit der Volkszählung ein. Das ist etwa ein Drittel der knapp 35.000 Klagen, die die Verwaltungsgerichte im „Ländle“ insgesamt zu bewältigen hatten. Im Lauf des vergangenen Jahres wurden fast 8.000 dieser Klagen erledigt. Die Berufungsinstanz, den VGH, riefen bisher etwa 1.600 Kläger an. Von den bislang entschiedenen knapp 500 Verfahren waren lediglich drei erfolgreich. Daß die Verwaltungsgerichte unter der Last dieser Verfahren nicht zusammenbrachen, wie es das „Ziel eines großen Teils der Kläger gewesen ist“, glaubt der Gerichtspräsident in erster Linie dem Ehrgeiz seiner Mitarbeiter zuschreiben zu können. Eine „bestimmte Möglichkeit, daß wir mit der Volkszählung noch in Schwierigkeiten kommen“, sah der Richter lediglich dann gegeben, wenn es noch einmal zu einer neuen Klageflut kommen würde. Daß im Laufe des Januars bislang lediglich 130 neue Verfahren angestrengt wurden, könne aber bedeuten, daß „der Berg jetzt überschriten ist“. Da allerdings in Stuttgart und Tübingen die Heranziehungsbescheide zur Volkszählung noch immer nicht versandt worden seien, könne man da auch nicht ganz sicher sein. Der VGH veröffentlichte gestern außerdem die erste Entscheidung, die den für die Gegner der Volkszählung positiven Entscheid des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom Dezember 1987 aufhebt. Die Richter in Sigmaringen hatten Klägern vorläufigen Rechtsschutz gegen die Volkszählung gewährt, weil das statistische Landesamt durch zu lange Aufbewahrung der Erhebungsunterlagen gegen die Rechte der Kläger verstoßen habe. Der VGH hob den Sigmaringer Beschluß jetzt mit der Begründung auf, daß die Feststellung der amtlichen Einwohnerzahlen „der zentrale und zugleich ein legitimer Zweck der Volkszählung“ sei. Für entsprechende „Konsistenzprüfungen“ sei es notwendig, die Erhebungsunterlagen auch dann noch aufzubewahren, wenn die sogenannten Plausibilitätskontrollen schon durchgeführt sind. Die Aufbewahrung der Unterlagen im „abgeschotteten Bereich des Statistischen Landesamts“ gewährleiste dabei das Statistikgeheimnis „in einem Höchstmaß“. (AZ: Z 10 S 953/ 87)
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