INTERVIEW
: Wird die CDU nachdenklich?

■ Der CDU-Bundestagsabgeordnete Heinrich Seesing (Wahlkreis Kalkar) zum Atomskandal

taz: Sind Sie durch die Hanauer „Vorgänge“ zum Atom-Gegner konvertiert?

Seesing: Das kann man so nicht sagen. Die Ereignisse haben uns alle nachdenklich gemacht, das ist richtig. Aber ich habe schon vor mehr als einem Jahr kritische Fragen zum Schnellen Brüter gestellt, und ich stelle sie jetzt wieder.

Sie bezeichnen die Atomenergie als „Übergangstechnologie“. Wie lange soll der Übergang denn noch dauern?

Zuerst müssen wir klären, zwischen was denn ein Übergang stattfindet. Was kommt denn nach der Kernenergie? Wenn nach dem Übergang primär auf fossile Energieträger umgestiegen werden soll, bin ich aus Gründen des Umweltschutzes skeptisch.

Eine saubere umweltgerechte Kohleverbennung ist doch technisch überhaupt kein Problem mehr.

Sicherlich, aber Sie kennen auch die Probleme, die zum Beispiel in Buschhaus entstanden sind. Wenn wir von Ausstieg reden, dann kann er in frühestens zehn oder in spätestens 50 Jahren erfolgen. Nehmen wir ein Mittel von 25 Jahren...

...Wenn ich in 25 Jahren ernsthaft aussteigen will, dann brauche ich zum Beispiel keinen Schnellen Brüter. Der Brüter ist bekanntlich eine langfristige Option. Also kann ich mich von ihm verabschieden.

Das gehört zu jenen Fragen, die ich dem Forschungsminister auch gestellt habe. Wir müssen fragen, welche Bedeutung der Brüter in unserem Energiekonzept noch hat.

Ein anderes konkretes Projekt, wo man den Ausstiegs- oder Übergangswillen glaubwürdig umsetzen könnte, ist die WAA in Wackersdorf.

Ob wir die Wiederaufarbeitung wirklich brauchen, läßt sich gegenwärtig schwer beurteilen. Eine eigene WAA würde aber dazu beitragen, das Herumkutschieren von Atommüll im Ausland zu reduzieren.

Das könnte man auch durch direkte Endlagerung erreichen. Das Hauptproblem des Atommüll- Tourismus ist außerdem der leicht- und mittelaktive Müll.

Die direkte Endlagerung wird weiterhin von uns diskutiert. Das sind alles Möglichkeiten, die wir neu durchdenken müssen. Eine andere wichtige Frage gilt dem Menschen, mit dem wir solche Techniken betreiben und seiner Fehlerhaftigkeit.

Die Menschen, die mit nuklearen Techniken arbeiten, sind nicht besser als andere. Aber menschliche Schwächen verträgt die Atomtechnik nicht.

Wir müssen es schaffen, durch schärfere Kontrollen menschliche Schwächen so weit auszuschalten, daß die Kernenergie in einer Phase des Übergangs verantwortbar bleibt.

Herr Seesing, warum bewegt sich trotz Hanau so wenig in Ihrer Partei?

Daß sich etwas bewegt, sehen Sie doch an allen öffentlichen Stellungnahmen. Selbstverständlich sind viele nachdenklich geworden. Die Ereignisse haben Wirkung gezeigt. Interview: Manfred Kriener