Hamburg klagt in Karlsruhe

Die Stadt klagt erneut vor Bundesverfassungsgericht gegen den Länderfinanzausgleich / Hansestadt steht vor der Pleite / Bürgermeister Dohnanyi bastelt weiter an der Nordstaat-Utopie  ■ Aus Hamburg Axel Kintzinger

Nach einer erregten Debatte hat die Hamburger Bürgerschaft am Mittwoch abend mit der Stimmen- Mehrheit von SPD und FDP beschlossen, ein zweites Mal vor dem Bundesverfassungsgericht (BVG) in Karlsruhe gegen die „Ungerechtigkeit“ des Länderfinanzausgleichs zu klagen. Vor einem Jahr waren Hamburg und Bremen mit einem ähnlichen Anlauf vor dem BVG gescheitert.

Hamburg, das in diesem Jahr etwa eine Milliarde Mark Schulden machen wird, will diesmal vor allem die Metropolenfunktion der Hansestadt betonen und fordert eine Gleichstellung mit Städten wie München, Stuttgart oder Frankfurt. Deren Dienstleistungen wie etwa Verkehrsstruktur oder kulturelle Angebote, von denen auch die Umlandgemeinden profitieren, würden durch einen kommunalen Finanzausgleich vergütet, der dem Bundesland Hamburg nicht zusteht. Sowohl Unternehmen als auch Bürger, die sich vor den Toren der Hansestadt und zu äußerst günstigen Bedingungen angesiedelt haben, würden die Angebote der Metropole Hamburg nutzen, ihre Steuern jedoch im angrenzenden Schleswig- Holstein oder Niedersachsen bezahlen. Mit diesem Problem habe sich das BVG bisher nicht befaßt. Ferner seien die Kosten für die politische Führung eines kleinen Bundeslandes und auch die Hafenkosten nicht bedacht worden.

Für Hamburg bahnt sich nach Einschätzung aller Bürgerschafts-Fraktionen eine Finanzkatastrophe an. Geringere Steuereinnahmen im Jahr 1987 und die darauf basierenden Schätzungen von 1988 lassen Mindereinnahmen in Höhe von 400 Millionen Mark für dieses Jahr erwarten. Für den Fall einer abermaligen Absage aus Karlsruhe deutete Dohnanyi Konsequenzen für das Umland an.

Ohne einen neuen Beschluß des BVG abzuwarten, kündigt die Dohnanyi-Regierung drastische Sparmaßnahmen vor allem im sozialen Bereich an. In der nächsten Woche wird sich die SPD in mehrtägigen Haushaltsverhandlungen mit ihrem Koalitionspartner FDP zudem mit deren Forderung auseinandersetzen, in welchem Umfang die Privatisierung von staatseigenen Betrieben vorangetrieben wird. Um das „finanzielle Überleben“ Hamburgs zu retten, will Dohnanyi auch über ganz andere Lösungen nachdenken. Ohne den Begriff „Nordstaat“ zu nennen, brachte er eine Neuordnung des norddeutschen Ländergefüges ins Gespräch. Hamburger SPD-Politiker liebäugeln schon länger mit einem „Nordstaat“ aus den vier Küstenländern mit der Hauptstadt Hamburg. Wenn überhaupt, würde Dohnanyi jedoch eine kleinere Lösung favorisieren, in der Schleswig-Holstein und Hamburg einerseits, sowie Niedersachsen und Bremen andererseits, zusammengeführt würden. Mitte Februar wird eine Grundsatzrede Dohnanyis zu diesem Thema erwartet.